Bitte noch ein weniger lauter, Herbert Grönemeyer!

Bei einem Konzert in Wien hielt Herbert Grönemeyer eine laute, feurige Rede gegen Rechtsextremismus und für eine offene, menschliche Gesellschaft. Seitdem drehen die Sozialen Netzwerke durch.

Hätte es 1933 mehr Künstler wie Herbert Grönemeyer gegeben, wäre der Welt vielleicht manches erspart geblieben... Foto: Kurt Kulac / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 3.0

(KL) – Ehrlich gesagt, ich höre Herbert Grönemeyer nicht gerne. Der frühere Schauspieler, der durch seine geniale Rolle in „Das Boot“ berühmt wurde, ist mit seinem Geknödel nicht so mein Fall. Und vor lauter Geknödel versteht man manchmal nicht mal seine Texte. Sei’s drum – der Typ ist trotzdem großartig. Bei einem Konzert in Wien hielt er zwischen zwei Songs eine kurze, dafür aber laute Ansprache gegen Rechtsextremismus und für eine offene Gesellschaft. In Zeiten, in denen Neonazi-Bands, Bernd Höckes und Lutz Bachmanns ihre rechtsextremen Hetzparolen in die Welt brüllen, kann man gar nicht laut genug dagegen halten. Auch, wenn eben diese rechten Hetzer nun Herbert Grönemeyer mit Joseph Goebbels und dessen traurig-berühmter Rede im Berliner Sportpalast vergleichen, als Goebbels den „totalen Krieg“ forderte.

Die Blubberer, die sich nun darüber aufregen, dass Herbert Grönemeyer ein paar Dezibel drauflegte, um seinem Publikum ein „keinen Millimeter weiter nach rechts!“ mit auf den Weg zu geben, haben offenbar nicht verstanden, dass es einen Unterschied gibt, ob man den „totalen Krieg“ oder eine „offene Gesellschaft“ fordert. Seltsam, dass die Ohrenschützer der Nation brav weghören, wenn Nazi-Bands ihre widerlichen Nazi-Songs grölen, aber sehr sensibel reagieren, wenn mal jemand die Stimme gegen den immer präsenter werdenden Neonazismus erhebt.

Geradezu köstlich war die Reaktion der unsäglichen Beatrix von Storch, die erregt twitterte: „Den Außenminister will wie ausdrücklich #Groenemeyer die Diktatur. Das ist die furchtbarste, übelste, totalitärste Hassrede, die ich je gehört habe. Das ist Ton u Furor des neuen Terrors von links.“ Die Grammatikfehler wollen wir ihr mal durchgehen lassen, Rechtsextreme verlieren in der Erregung schon mal die Maitrise der deutschen Sprache. Allerdings sollte Beatrix von Storch mal einen ihrer Büromitarbeiter bitten, ihr eine YouTube-Kompilation der lautesten Reden der Nazis zusammenzustellen, deren Finanzen ihr Opa ja bekanntermaßen als Minister verwaltet hatte. Da sind schon ein paar Hassreden dabei, die ein klein wenig furchtbarer, übler und totalitärer sind als die laut vorgetragene Forderung nach einer offenen und menschlichen Gesellschaft. Und schon stehen wir vor der Frage, ob es einen Komparativ von „totalitär“ gibt. Echt? Totalitärer? Und am totalitärsten? Alleine dafür, dass Herbert Grönemeyer dieser Dame den Puls auf 140 gedrückt hat, gebührt ihm eigentlich ein Bambi. Aber den gibt’s ja auch nicht mehr.

Schlimm ist es allerdings, wenn Intellektuelle wie der Autor Bernd Stegemann Stellung nehmen: „Der Tonfall, mit dem Grönemeyer sein Publikum politisch anheizt, macht mir ein wenig Angst. Ich sag’s ungern, aber er klingt wie ein Redner vor 1945.“ Herr Stegemann, ich sag’s auch ungern, aber Sie klingen wie ein ausgemachter Schwachkopf, wenn Sie den Unterschied zwischen Nazis und Antifaschisten nicht mehr erkennen.

Also werden wir weiter tapfer das Grönemeyer’sche Geknödel ertragen und uns dabei mit dem Gedanken trösten, dass sich wenigstens einer laut gegen die neonazistischen Strömungen im Land stellt. Hätte es 1933 mehr Grönemeyers und weniger Von Storchs gegeben, wäre Deutschland und der Welt vielleicht vieles erspart geblieben. Unter anderem so dämliche Stellungnahmen wie diejenigen, die gerade über Herbert Grönemeyer hereinbrechen. Keep on truckin‘, Herbert!

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