Black lives matter

Mehrere Tausend überwiegend jugendliche Demonstranten haben gestern friedlich in Straßburg gegen Rassismus und gegen Polizeigewalt demonstriert – trotz schlechtem Wetter.

Gegen Rassismus und Polizeigewalt - Demonstranten in Strassburg. Foto: (c) Eric Schultz

(KL) – Sie waren zumeist schwarz angezogen, sie trugen fast alle Masken, sie waren alle friedlich – rund 4000 Demonstranten haben gestern in der Straßburger Innenstadt gegen Rassismus und Polizeigewalt demonstriert. Dabei ging es nicht nur um die Ermordung des Amerikaners George Floyd in Minneapolis, sondern auch grundsätzlich um den Umgang der Polizei mit Bürger*innen – und der ist auch in Frankreich häufig von Gewalt geprägt.

Weltweit intensivieren sich die Proteste gegen die Art und Weise, wie Polizeikräfte mit Bürger*innen umgehen – denn staatliche Gewalt gegenüber Bürger*innen ist ein hoch problematisches Thema, sowohl in den USA als auch anderswo. Dass Polizeigewalt in totalitären Staaten auf der Tagesordnung steht, ist eine Sache, dass Polizeigewalt auch in demokratischen Staaten mittlerweile keine Seltenheit mehr ist, ist bedenklich. Doch dass nun die Jugend in den westlichen Staaten friedlich und massiv dagegen protestiert, ist wiederum ein Licht am Ende des Tunnels, in dem sich gerade die Beziehungen zwischen Bevölkerung und Staat befindet.

Gerade in Frankreich ist dieses Verhältnis zwischen Staat und Bevölkerung sehr angespannt. Seit November 2018 protestieren die „Gelbwesten“ für mehr soziale Gerechtigkeit und bei den Demonstrationen, die bis zur Coton-Krise jedes Wochenende stattfanden und „Akte“ genannt wurden, kam es immer wieder zu heftigen Auseinandersetzungen, bei denen die Ordnungskräfte die eigentlich geächteten Hartgummigeschosse einsetzten und die zu bürgerkriegsähnlichen Szenen führten.

Das führt zu der Frage, wer oder was der Staat eigentlich ist. In Demokratien ist der Staat theoretisch die Organisation, die den politischen Willen der Mehrheit der Bevölkerung umzusetzen hat. Soweit die Theorie. In der Praxis definiert der Staat seine eigenen Prioritäten und setzt diese durch, ob sie nun den Interessen der Bevölkerung entsprechen oder nicht. Und genau hier beginnt das Problem.

Vor ein paar Monaten zeigten die Umfragen, dass die Mehrheit der französischen Bevölkerung zwar die Art und Weise der Demonstrationen der „Gelbwesten“ ablehnte, aber die sozialen Forderungen dieser chaotischen Protestbewegung unterstützte. Bis zu 70 % der Französinnen und Franzosen äußerten in Umfragen Verständnis für die Forderung nach mehr sozialer Gerechtigkeit. Die Politik der aktuellen Regierung wurde allgemein als eine „Politik für Reiche“ empfunden, was unter anderem an der Abschaffung der „Reichensteuer“ ISF lag, aber auch an der Kürzung einiger Sozialleistungen und der gleichzeitigen Erhöhung der Lebenshaltungskosten, die naturgemäß die ärmeren Bevölkerungsschichten am härtesten traf. Dass es dann bei den Protesten auch in Frankreich zu Szenen wie in Minneapolis kam, heizte die Auseinandersetzung ebenso an wie die gewalttätigen Aktionen der in den Reihen der „Gelbwesten“ geduldeten „Black Blocks“, anarchistischen Kleingruppen, die im Schutz der Demonstrationen höchst aggressive und zerstörerische Aktionen durchführten.

Dass nun mehrere Tausend Demonstranten für einen anderen Umgang zischen Staat und Bevölkerung demonstrierten, macht Mut. Denn die aktuelle Entwicklung geht immer mehr in Richtung eines autoritären Überwachungsstaats, der nicht mehr für, sondern offen gegen die eigene Bevölkerung arbeitet.

In Europa muss man aufpassen, dass das „amerikanische Modell“ nicht überschwappt. Während Donald Trump am liebsten Nationalgarde und Armee gegen die eigene Bevölkerung aufmarschieren lassen will, sollten sich die europäischen Länder nicht von diesem bewaffneten Autoritarismus anstecken lassen, sondern zurück zum Dialog zwischen Staat und Bevölkerung kommen.

Gerade in Frankreich, wo die Unzufriedenheit der Bevölkerung mit ihrer Regierung greifbar ist, wo die sozialen Unruhen nach dem Ende des Lockdowns wieder aufflammen werden, da weder die Frage einer auf breiter Ebene abgelehnten Rentenreform, noch die Frage nach mehr sozialer Gerechtigkeit gelöst sind, wird sich die Frage nach dem Verhalten der Polizei bei den Demonstrationen erneut stellen. Allerdings wird sich genauso die Frage nach der Gewalt der Demonstranten stellen und hier war die gestrige Demonstration in Straßburg beispielhaft.

Die mehreren Tausend Demonstranten in Straßburg haben sich beispielhaft verhalten, es kam zu keinerlei gewaltsamen Auseinandersetzungen. Diese Art Demonstration hinterlässt einen wesentlich nachhaltigeren Eindruck als Bilder von Straßenschlachten und eingeworfenen Schaufensterscheiben. Denn die Botschaft der Demonstranten war klar – „wir wollen keinen autoritären Staat, der über Leichen geht, um seine Politik durchzusetzen“. Wer könnte gegen diese Botschaft immun sein?

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