Boris Johnson hat Oberwasser – aber wie lange?

Kaum gewählt, will der britische Premierminister nicht nur sofort seinen Brexit durchziehen, sondern auch der EU seine Konditionen diktieren. Die EU sollte gut überlegen, wie sie mit der Situation umgeht.

Jeremy Corbyn und Boris Johnson - den Schaden, den die beiden angerichtet haben, werden viele Briten erst in ein paar Jahren verstehen. Foto: Garry Knight from London, England / Wikimedia Commons / CC-BY 2.0

(KL) – OK, die Briten haben gewählt, und sie haben den Mann gewählt, der bis Ende Januar 2020 seinen Brexit durchziehen will. Das ist sein gutes Recht, doch ist es das gute Recht der EU, dabei nicht seine Konditionen zu akzeptieren, beispielsweise, was die EU-Außengrenzen anbelangt. Und auch Johnsons im Befehlston vorgetragene Forderung nach einem neuen Freihandelsabkommen bis zum Ende 2020 sollte man langsam und in Ruhe angehen – immerhin haben die Briten es auch nach dreieinhalb Jahren nicht geschafft, ihren Brexit hinzubekommen. Da sollte sich die EU jetzt nicht zur Eile antreiben lassen und vor allem sollte sie nun in erster Linie auf ihre eigenen Interessen achten.

Vor allem sollte sich die EU nun nicht vom „Hard Brexit“-Szenario beeindrucken lassen – es gibt keinerlei Grund, jetzt vor Boris Johnson zu katzbuckeln und ihm Geschenke zu machen. Die Briten wollen die EU verlassen, bitteschön, doch ist es nicht Aufgabe der EU, den Briten dies durch besondere Geschenke zu versüßen.

Zumal es sich bereits jetzt wieder bestätigt, dass Boris Johnson ein sehr gestörtes Verhältnis zur Demokratie hat. So will der referendumsgläubige Johnson den Schotten ein weiteres Referendum für deren Unabhängigkeit verbieten – wissend, dass die Schotten sich mehrheitlich für die EU und gegen das Vereinte Königreich entscheiden würden. Doch kann man die Einheit eines Landes per Dekret durchsetzen?

Klar, Boris Johnson hat gerade Rückenwind und führt sich daheim auf wie Popeye auf einer Überdosis Spinat. Aber die Realitäten werden ihn schnell einholen und seine heutigen Sprüche könnten sich schon morgen als Fehler herausstellen, wenn Johnson auf Hilfe von außen angewiesen ist, wenn die im „Yellowhammer Report“ von seiner eigenen Regierung beschrieben Konsequenzen des Brexit greifen. Jetzt das Klima weiter unnötig zu vergiften, das ist typisch Johnson und dient nur seinem Ego, nicht aber seinem Land und seinen Landsleuten.

Für die Europäische Union kann es jetzt nur heißen, sich wieder auf europäische Angelegenheiten zu konzentrieren und die Briten das machen zu lassen, was sie bereits seit Jahren erfolglos versuchen – sich zu entscheiden, wie sie sich verabschieden wollen. Das ist nun in erster Linie ein britisches Problem und die EU wird dann irgendwann entscheiden, ob die britischen Vorschläge, sollten eines Tages solche auf dem Tisch liegen, akzeptabel sind oder nicht. Dazu sollte nun schleunigst dafür gesorgt werden, dass die britischen Vertreter in den EU-Institutionen nach Hause geschickt werden – es kann nicht angehen, dass die Briten immer noch mitentscheiden können, was in der EU passiert und dafür auch noch satte Gehälter beziehen.

Die EU kann das jetzt ganz ruhig auf sich zukommen lassen – Chefunterhändler Barnier hat in der gesamten Brexit-Krise eine sehr gute Figur gemacht und sollte das auch weiterhin tun. Und langsam, aber sicher, wäre es für alle Beteiligten, aber vor allem für die Briten von Vorteil, würde ihr seltsamer Politclown wieder auf den Boden kommen und endlich aufhören, auch noch das letzte Porzellan zu zerschlagen. Denn kitten müssen das dann andere.

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