Boris Palmer – alleine gegen die Parteien

Der Tübinger OB Boris Palmer hat die Wahlen zum Oberbürgermeister im ersten Wahlgang mit absoluter Mehrheit als Parteiloser gewonnen. Es geht also auch ohne Parteien.

Boris Palmer brauchte die Grünen nicht, um für eine dritte Amtszeit gewählt zu werden. Foto: Reinhard Kraasch / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 4.0DE

(KL) – Man kann zu Boris Palmer stehen, wie man will, doch sein Wahlsieg am Sonntag ist wie ein Erfolg über ein verkrustetes Parteiensystem, in dem die Grünen inzwischen eine Partei wie alle anderen geworden ist. Aufgrund zahlreicher kontroverser Aussagen Palmers ruht momentan seine Mitgliedschaft bei den Grünen, so lange diese überlegen, ob Palmer aus der Partei ausgeschlossen werden soll oder nicht. Aber ddann war da ja noch so etwas wie die Demokratie und die hat am Sonntag in Tübingen eindeutig gewonnen.

62,2 % der Tübinger sind am Sonntag wählen gegangen und von denen entschieden sich 52,4 % für Boris Palmer. Da nützten auch die Wahlbündnisse und die Mobilisierung der Parteiapparate nichts – Palmers grüne Konkurrentin Ulrike Baumgärtner kam nur auf 22 %, die auch von der FDP unterstützte SPD-Kandidatin Sofie Geisel auf 21,4 %. Die drei anderen Kandidaten rangieren unter „ferner liefen“ und blieben alle unter 3 % der abgegebenen Stimmen.

Boris Palmers Wahlerfolg ist eine Ohrfeige für die Grünen. Was für eine Lektion für die Grünen, die erkennen müssen, dass Parteizugehörigkeit noch lange kein Garant für Wahlerfolge ist. Dass am Ende des Tages die Menschen entscheiden, wen sie an der Spitze ihrer Institutionen sehen wollen, ist ein erfrischender Wind der Demokratie in einer Parteienlandschaft, die sich Lichtjahre von den Sorgen und Nöten der Menschen entfernt hat.

Gewiss, es ist „nur“ Tübingen, wo knapp 70.000 Wahlberechtigte zur Stimmabgabe aufgefordert waren. Die bundesweite Aussagekraft und Ausstrahlung des Tübiinger Ergebnisses ist begrenzt. Und dennoch sollten die Grünen genauer nach Tübingen schauen, denn die Entwicklung der Grünen hin zu einer gewöhnlichen Partei für Besserverdiener ist langfristig kein Erfolgsweg. Dass der kämpferische Palmer, der immer wieder gerne aneckt, einen derart klaren Erfolg einfahren kann, das beweist, dass die Parteien einen Fehler machen, wenn sie glauben, dass man den Wählerinnen und Wählern alles präsentieren kann, was man will. Ganz offensichtlich wünschen sich die Menschen inhaltliche Auseinandersetzungen, Debatten mit unterschiedlichen Meinungen, Pragmatismus in der (Lokal-)Politik.

Das Tübinger Ergebnis ist ein erster Schritt zur Emanzipation der Wählerschaft. Und man muss hoffen, dass es noch ganz viele Tübingens gibt, wo die Menschen eine freie Entscheidung treffen, die nicht das Interesse der jeweiligen Parteien befriedigt, sondern das der Wählerinnen und Wähler.

Noch am Wahlabend wurde Boris Palmer gefragt, ob er nun seinen Politikstil ändern und „handzahmer“ werden würde . Palmers Anwort war so klar wie nachvollziehbar. „Ich bin zum dritten Mal mit absoluter Mehrheit im ersten Wahlgang gewählt worden – warum sollte ich an meinem Politikstil etwas ändern?“. Da hat er allerdings Recht – wenn sich irgendjemand hinterfragen sollte, dann sind es die Parteien, die gerade quer durch die Republik eine traurige Figur abgeben.

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