Boris und die Demokratie

Von Demokratie hält der britische Premierminister Boris Johnson nicht viel. Das einzige Votum, das er brauchte, hat er gewonnen. Ab sofort dürfen die Briten wieder schweigen. Vor allem die Schotten.

Am Ende wird er es wohl schaffen, das Vereinte Königreich in seine Einzelteile zu zerlegen. Foto: Steve Nimmons from UK / Wikimedia Commons / CC-BY 2.0

(KL) – Nein, teilte der britische Premierminister der „Dear Nicola“ Sturgeon, der schottischen Regierungschefin mit, er werde keinem weiteren Referendum über die Unabhängigkeit Schottlands zustimmen. Seine Begründung war so abenteuerlich wie seine ganze politische Karriere. Und so könnte Schottland das für Großbritannien werden, was Katalonien für Spanien ist – ein unlösbares Problem.

Das Hauptargument des britischen Premierministers, den die Briten am 12. Dezember in einem Anfall kollektiven Schwachsinns zum Abdecker des Vereinten Königreichs gewählt hatten, klang ein wenig nach Schulhof: Beim letzten Referendum über die schottische Unabhängigkeit 2014 (damals hatten sich 55 % der Schotten für den Verbleib in Großbritannien ausgesprochen) hätte es immerhin die Zusage gegeben, dass dies ein „Generations-Referendum“ gewesen sei und es folglich das nächste Referendum auch erst in einer Generation geben könne. Und bis dahin solle man doch besser zusammenarbeiten, um Britannia wieder zu alter Größe zu führen. Und sich nicht länger mit so undemokratischem Quatsch wie Volksentscheiden herumärgern.

Falsch, entgegnete Nicola Sturgeon, denn 2014 hätte noch niemand ahnen können, dass die regierenden Tories Großbritannien und somit auch Schottland aus der EU herauslösen wollen. Insofern haben sich die Voraussetzungen so grundlegend verändert, dass dies ein neuerliches Referendum über den Verbleib Schottlands rechtfertigen würde. Und schon wird’s spanisch-katalanisch.

Schottland hat sich schon längst gegen den Verbleib in Großbritannien und für den Verbleib in der EU entschieden. Anders als 2014 stimmten bei der vorgezogenen Parlamentswahl am 12. Dezember 62 % der Schotten für Anti-Brexit-Parteien – und wenn 2/3 der schottischen Wählerschaft gegen den Brexit stimmen, dann ist klar, dass ein neuerliches Referendum dazu führen würde, dass das Vereinte Königreich auseinander bricht.

Wenn nun der Brexit stattfindet, wird sich der Ton in Schottland deutlich verschärfen. Die Schotten werden es nicht akzeptieren, eine Art englische Kolonie zu werden, deren Schicksal ausschließlich in London bestimmt wird, und Boris Johnson wird alles daran setzen, das Auseinanderbrechen Großbritanniens so lange herauszuzögern, wie es geht. Doch Nicola Sturgeon wird es nicht dabei belassen, sie will bereits in diesem Monat ihr weiteres Vorgehen präsentieren. Und das kann nur in Richtung der schottischen Unabhängigkeit gehen.

Der Brexit hat noch gar nicht stattgefunden, da brechen schon seine Konsequenzen über die britische Insel herein. Zum Glück hat die königliche Familie mit dem „Meghxit“ für ein wenig Abwechslung gesorgt – denn das, was auf Großbritannien gerade zurollt, ist ein nationaler Tsunami.  An dessen Ende wohl nur noch „Little Britain“ übrigbleiben wird.

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