Brexit – die Boris Johnson-Show

Knapp 9 Wochen vor dem Brexit-Termin versucht Boris Johnson auch noch die letzten demokratischen Hürden zu umgehen. Doch langsam regt sich Protest in Großbritannien. Es wurde auch Zeit.

In seine "Pro Brexit-Kampagne" will Boris Johnson 100 Millionen Pfund stecken... Foto: Sinn Féin / Wikimedia Commons / CC-BY 2.0

(KL) – Nun ist er aus Versehen doch öffentlich geworden, der „Hard-Brexit-Plan“ von Boris Johnson, der mit den neuesten Veröffentlichungen des „The Guardian“ genau das bestätigt, wogegen er sich so heftig verwahrt – er ist ein Lügner und ein Feind der Demokratie. Denn sein Plan sieht vor, das britische Parlament nach dessen Sommerpause einfach so lange auszuschalten, bis der „Hard Brexit“ eine Realität geworden ist. 93 000 halbgreise Tories dürften jetzt jubeln und die kommenden Generationen britischer Staatsbürger werden die Zeche dafür bezahlen, dass das Land zu lange zugeschaut hat, wie David Cameron, Theresa May und Boris Johnson Großbritannien ins Elend gestürzt haben.

Eine Email eines hohen Beraters des neuen Regierungschefs wurden dem „The Guardian“ zugespielt, aus der hervorgeht, dass Johnson beim obersten britischen Staatsanwalt Geoffrey Cox nachgefragt hat, ob die Sperrung des Parlaments ab dem Ende des Sommerpause am 9. September für fünf Wochen legal sei. Die Antwort besagt, dass dieses Verfahren („Prorogation“ genannt) durchaus legal sei, allerdings von einer Klage vor den Gerichten gestoppt werden könnte. Die Frage, ob der Brexit Gegenstand eines demokratischen Verfahrens wird, entpuppt sich also als Wettlauf gegen die Zeit.

Sofort nach Bekanntwerden des Johnson-Plans haben mehrere Organisationen angekündigt, umgehend Klage einreichen zu wollen, sollte Johnson das Parlament am 9. September tatsächlich ausschließen. Denn die zwei Wochen zwischen dem Ende eines solchen Ausschlusses und dem dann anstehenden Brexit-Datum am 31. Oktober werden in keinem Fall ausreichen, Lösungen zu finden, die das Vereinte Königreich in mehr als drei Jahren nicht gefunden hat.

Johnson wird sich, speziell nach den Zusagen von Donald Trump für ein „wunderbares neues Freihandels-Abkommen“ nur von den Gerichten von seinem Plan abbringen lassen. Und langsam, aber sicher, dämmert es dem einen oder anderen Briten, was sie sich mit diesem offenen Feind der Demokratie eingehandelt haben.

Die Reaktionen der britischen Politik sind heftig, selbst bei vielen Tories, die auf keinen Fall den von Johnson angestrebten „No Deal-Brexit“ wollen. Dazu sind viele Abgeordnete zu Recht aufgebracht, dass der Regierungschef das Parlament und damit die demokratischen Spielregeln des Landes derart respektlos missachtet. Der frühere Oberstaatsanwalt Dominic Grieve (Tories) sagte, dass „dieses Memo […] die Wertschätzung von Boris Johnson für das Unterhaus zeigt. Es kann möglich sein, den ausgedrückten Willen des Unterhauses derart zu umgehen, aber dies zeigt nur eine absolut falsche Einstellung. Das Parlament von einer nationalen Krise auszuschließen, die die Zukunft unseres Landes bedroht, ist absolut falsch.“

Lässt Boris Johnson das Parlament zusammentreten, wird dieses ihm einen „Hard Brexit“ untersagen, wie es bereits in der Vergangenheit geschehen ist. Dazu wird ab sofort ein Misstrauensantrag gegen ihn wohl anders ablaufen als in der Vergangenheit, denn angesichts dessen, was gerade passiert, dürfte es etliche Tories geben, die eher auf die Regierungsmacht verzichten würden, als die Verantwortung dafür zu tragen, dass Großbritannien in eine nicht mehr umzukehrende Katastrophe geführt wird.

Da Boris Johnson überall verkündet, dass er weder einen „Hard Brexit“ möchte, noch das Parlament ausschalten will, muss man davon ausgehen, dass genau das sein Plan ist. Technisch wäre ein solches Ausschalten des Parlaments vom 3. September bis zum Vorabend des nächsten EU-Gipfels am 17/18 Oktober möglich – also bis zu einem Zeitpunkt, zu dem es keine Zeit mehr für Lösungen gäbe.

Der Brexit sollte das Schulbeispiel für all die neo-nationalistischen Schreihälse werden, die in ihren Ländern die Trommel für den Austritt aus der EU und die Rückkehr zu mehr Nationalstaat rühren. Und es ist seltsam, dass niemand, aber wirklich niemand, weder die EU-Feinde, noch die EU-Freunde, auf die Idee kommen, es vielleicht mit einer Reform der tatsächlich nicht funktionierenden EU-Institutionen zu probieren. Während die einen einen nicht mehr zu vertretenden Status dieser nicht funktionierenden EU verteidigen wollen, würden die anderen die EU lieber abschaffen. Beide haben Unrecht – Europa ist nach wie vor ein Garant des Friedens, muss aber dringend neu aufgestellt werden, denn die Institutionen sind zu reinen Handlangern des Großkapitals verkommen.

Seit dem Brexit-Referendum haben wir viel Zeit verloren – wenn die EU nicht jetzt sofort in einen Reformprozess eintritt, werden wir einen Rückfall in alte Zeiten erleben, mit allem, was dazu gehört. Und wie viel Leid und Tod das alte Europa der Nationen verursacht hat, das steht in jedem Geschichtsbuch.

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