Brexit – es ist noch lange nicht vorbei

Auch, wenn Nigel Farages Brexit-Partei die britische Europawahl gewonnen hat, haben die Brexit-Befürworter keine Mehrheit mehr. Aus einem pathetischen Theaterstück wird nun ein Drama.

Sieht aus wie Donald Trump und ist genauso durchgeknallt - Boris Johnson, Brexit-Hardliner und möglicher May-Nachfolger. Foto: Jerry Daykin / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 2.0

(KL) – Ja, sie jubelten, die Brexiteers, als die ersten Hochrechnungen über den Bildschirm flimmerten. 31,7 % für die Brexit Party, stärkste Partei, Bingo! Aber eben nicht „Bingo!“. Um die Stimmung auf der Insel richtig einzuschätzen, muss man die Ergebnisse aufmerksam lesen. Denn die Mehrheit der Briten ist inzwischen gegen den Ausstieg aus der EU. Das wird ihnen allerdings wenig nützen, denn die Tories werden sich so lange an der Macht in London festklammern, bis der „hard Brexit“ zur Wirklichkeit wird.

Die Brexit Party bei 31,7 %, gefolgt von den pro-europäischen Liberaldemokraten (18,6 %), Labour (14,1 %), den Grünen (11,1 %), den Tories (8,7 !), UKIP (3,6 %) und der schottischen SNP (3,6 %) – und was sagt uns dieses Ergebnis? Genau, nichts. Die Zahlen eignen sich höchstens für ein paar Rechenspiele ohne große Aussagekraft.

31,7 % für die Brexit Party, plus 3,6 % für die UKIP, das macht 35,3 %. Rechnet man dann noch die Hälfte der Tories dazu, kommt man bei wohlwollendem Runden auf 39,7 %. Plus eine Handvoll Labour-Wähler rund um Jeremy „Isnogud“ Corbyn, dann kommt man immer noch nur auf rund 45 oder 46 % Wähler, die tatsächlich aus der EU austreten wollen. Was im Umkehrschluss bedeutet, dass die Mehrheit der Briten auch nach dieser Europawahl lieber in der EU bleiben möchte.

Doch das werden die May, Boris Johnson und Nigel Farage zu verhindern wissen. Mit dem Brexit hat Theresa May das gesamte britische Volk in eine Art politische Geiselhaft genommen und sie wird bis zu ihrem endgültigen Rücktritt am 7. Juni alles daran setzen, dass ausgerechnet der durchgeknallte Boris Johnson ihre Nachfolge antreten kann. Dieses Vorgehen alleine mit dem britischen „Spleen“ erklären zu wollen, das reicht nicht.

Unangenehm ist die Situation vor allem für das Europäische Parlament, wenn es dann am 2. Juli zum ersten Mal zusammentritt. Die Präsenz angetrunkener Europagegner in den heiligen Hallen des Europäischen Parlaments ist eine unsägliche Vorstellung. Doch bleibt das Austrittsdatum am 31. Oktober 2019. Und nun wäre es an der Zeit, dass die EU endlich den Spies umdreht und den Briten ihre Verantwortung für ihr eigenes Versagen zurückgibt. Denn natürlich wird die EU bis zum 31. Oktober nicht neu verhandeln und die Brexiteers werden dann versuchen, der EU die Schuld für ihren seit Anfang an geplanten „hard Brexit“ in die Schuhe zu schieben. Bereits heute sollte die EU ankündigen, dass am 31. Oktober wirklich Feierabend ist, es sei denn, die Briten schafften es bis dahin, doch noch so etwas wie einen Plan für ihren so heiß ersehnten politischen und wirtschaftlichen Selbstmord zu entwickeln. Doch nachdem sie drei Jahre lang genau daran gescheitert sind, stehen die Chancen mehr als gering, dass doch noch Vernunft in London einzieht. Vor allem dann nicht, wenn Politclowns wie Farage und Johnson das Sagen haben.

Immerhin, so wie in anderen Ländern auch, implodieren gerade die traditionellen Parteien in Großbritannien. Die Regierungspartei, die konservativen Tories, kommen gerade noch auf 8,7 %, Labour liegt mit 14,1 % auch nicht viel besser. Die Götterdämmerung, die in Frankreich die PS und LR erfasst hat, in Deutschland die CDU und die SPD, ist nun auch in Großbritannien angebrochen. Doch das, was schlecht war, dürfte nun noch schlechter werden.

Und eines Tages, wenn die Briten isoliert auf ihrer Insel herumdümpeln, werden sich die jungen Briten fragen, was da eigentlich zwischen 2016 bis 2019 passiert ist. Und vielleicht findet sich dann auch ein mutiger Staatsanwalt, der David Cameron, Theresa May, Nigel Farage, Jeremy Corbyn und Boris Johnson vor Gericht stellt. Wegen Hochverrat. Und mit der EU als Nebenkläger.

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