Brexit? Läuft!

Wer momentan mit dem Schiff von Calais nach Dover oder von Dover nach Calais fahren möchte, schaut in die Röhre. Das Fährunternehmen P&O Ferries lässt seine Schiffe gerade in den Häfen liegen.

Die Schiffe von P&O Ferries liegen momentan in den Häfen fest. Wie hier in Dover. Foto: Robin Drayton / P&O Ferry at Eastern Dock Dover / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 2.0

(KL) – „Von Calais nach Dover fährt ein kleines Boot“, trällerte 1972 die Sängerin Gaby Baginski. Doch was 1972 galt, gilt 50 Jahre später nicht mehr unbedingt. Denn momentan fahren die Schiffe auf der stark frequentierten Strecke Calais – Dover eben nicht. Grund dafür ist, dass P&O Ferries ein neues Entlohnungssystem für seine Mitarbeiter einführen will, da das Unternehmen Kosten sparen will und muss. Und deswegen werden die Strecken Calais – Dover und Rotterdam – Hull momentan nicht bedient. Laut dem Chef von P&O Ferries, Peter Hebblethwaite, will das Unternehmen durch ein neues Entlohnungssystem 50 % der Crew-Kosten einsparen. Auch dieses Sozialdumping ist eine Konsequenz des Brexit, der immer abstrusere Formen annimmt.

Reisenden, die auf dieser Strecke zwischen England und Frankreich übersetzen wollen, wird lapidar empfohlen, „nach Alternativen zu suchen“. Doch was für Touristen einfach nur ärgerlich ist, ist für die ohnehin schon von den Brexit-bedingten Zollformalitäten gebeutelten Spediteure eine Katastrophe. Logistiker können nicht einfach alternative Routen wählen, und einmal mehr drohen die Frachten der Spediteure in wartenden LKWs zu verfaulen.

Von Woche zu Woche wird sichtbarer, was Boris Johnson mit dem Brexit angerichtet hat. Sein jüngster Vergleich der nationalistisch-jubelnden Brexit-Wähler mit den Widerstandskämpfern in der Ukraine hat ihm weltweite Empörung eingebracht und Großbritannien isoliert sich immer weiter. Die Rechnung dafür zahlen allerdings nicht die Regierungsmitglieder, die weiterhin in Saus und Braus leben, sondern die einfachen Bürgerinnen und Bürger, deren tägliches Leben sich seit dem Brexit immer weiter verschlechtert.

Doch erstaunlicherweise reicht vielen das Beispiel des Brexit nicht aus, um zu erkennen, dass der dumpfe Nationalismus, der überall wieder hoffähig wird, zu nichts Gutem führt. Und ebenso erstaunlich, dass Boris Johnson so großen Wert darauf legt, bei den transatlantischen Konzertierungen zum Ukraine-Krieg weiter mit auf der Seite der Europäer zu sitzen. Das „Brüsseler Joch“ scheint zumindest punktuell auch für ultranationalistische Briten etwas Beruhigendes zu haben…

Aber wann wird der Fährbetrieb über den Ärmelkanal wieder aufgenommen? Der Spuk soll noch einige Tage dauern, wie P&O Ferries mitteilt, aber vorher sind noch einige Probleme zu lösen. So hatten sich einige Crews geweigert, die Schiffe zu verlassen und wurden dann mit Gewalt und in Handschellen von Bord geführt. Und ein neues Lohndumping-System aufzubauen, das dauert eben auch ein paar Tage.

Wer nun in den endlosen Warteschlangen in Calais steht, oder wer in Dover in ebenso langen Schlangen darauf wartet, wieder heimfahren zu können, der wird es sich in Zukunft zweimal überlegen, ob und wie er auf die britische Insel fährt.

Schade, dass die Briten zu stolz sind, um zuzugeben, dass der Brexit wohl das dämlichste Projekt ist, das sich britische Politiker seit dem II. Weltkrieg ausgedacht haben. Nichts wäre einfacher, als auf die Bremse zu treten und einen neuen Mitgliedsantrag in der EU zu stellen. Aber dazu wird es nicht kommen – Boris Johnson hat beschlossen, das Vereinte Königreich nachhaltig zu ruinieren und das wird er wohl auch schaffen. Warten wir also auf die Schotten, die wohl zukünftig die britische Insel in der EU vertreten könnten. Und auf Großbritannien kommen ohne Not extrem schwere Zeiten zu. Aber das haben sie ja so gewollt.

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