Brexit – läuft nicht für Theresa May

Die Zahlen, die ihre eigene Regierung veröffentlicht, zeigen, dass der Brexit für Großbritannien verheerende Folgen haben wird. Kein Grund für Theresa May zum Nachdenken.

So richtig lieb hat das Baby "Brexit" wohl nur noch eine - Theresa May... Foto: @infozentrale / Wikimedia Commons / CC0 1.0

(KL) – Schatzkanzler Philip Hammond hatte tiefe Sorgenfalten im Gesicht, als er die Wirtschaftsprognosen für das Vereinte Königreich im Falle eines vertragsfreien EU-Austritts verkündete. Um bis zu 7,7 % könnte das britische Bruttoinlandsprodukt (BIP) schrumpfen, was zwangsläufig Arbeitslosigkeit, sinkende Kaufkraft und den Einstieg in eine Spirale hinein in die Verarmung der britischen Gesellschaft führen würde. Es gab aus Regierungskreisen auch bereits höhere Einschätzungen, was den Rückgang des BIP angeht, aber so oder so, die Konsequenzen des Brexit werden immer deutlicher. Und Theresa May gerät immer mehr unter Druck.

Umfragen des „The Independent“ zeigen, dass die Stimmung in der britischen Bevölkerung immer weiter kippt. Nach Angaben dieser britischen Tageszeitung sind bereits um die 100 Wahlkreise von „Leave“ zu „Remain“ umgeschwenkt und diese Tendenz könnte anhalten. Würde heute ein zweites Referendum über den Verbleib in der EU stattfinden, würden sich die Mehrheitsverhältnisse wohl umgekehrt haben, schenkt man den Umfragen Glauben. Die Stimmen, die daher ein „Final Say“-Referendum fordern, werden immer lauter, der „The Independent“ hat selbst eine Petition für die Durchführung eines solches „Letztes Wort“-Referendum gestartet, die innerhalb weniger Tage bereits mehr als eine Dreiviertelmillion Unterschriften verzeichnet.

Doch genau ein solches „Final Say“-Referendum fürchtet die britische Premierministerin Theresa May wie der Teufel das Weihwasser. May fürchtet zu Recht, dass die Briten nach gründlichem Nachdenken die Idee eines Brexit wieder verwerfen würden und damit auch ihre eigene politische Karriere. Doch die ist ohnehin gefährdet, denn selbst in ihrer eigenen Partei denken die Menschen nach. So sind 38 % der rund 1,6 Millionen Briten, die sich von „Leave“ auf „Remain“ umentschieden haben, Tories und damit Parteifreunde von Theresa May. Gleichzeitig muss sie dem Druck der Falken wie Boris „Donald“ Johnson standhalten, denen der Brexit gar nicht hart genug ausfallen kann. Also beharrt Theresa May auf ihrer Linie, obwohl längst klar ist, dass genau diese Linie gegen die Wand führt.

Michel Barnier, der Chefunterhändler der EU, findet genau den richtigen Ton in diesen Verhandlungen und vertritt in bemerkenswerter Weise die europäischen Interessen. Den Vorschlag Mays, Großbritannien könnte einfach weiterhin für Waren den freien Handelsverkehr mit der EU nutzen, dafür aber eigene Regeln für die Personenfreizügigkeit und Dienstleistungen anwenden, wies Barnier kühl als „Rosinenpickerei“ zurück. Auch den Vorschlag der Verlängerung der Gespräche bis Dezember lehnte Barnier ab: „Wir brauchen keine Verlängerung, sondern klare politische Entscheidungen“. Der Vorschlag seitens der EU ist klar: Die Briten können sich eines der Konzepte aussuchen, das bereits im Verhältnis zu anderen Nicht-EU-Staaten, mit denen die EU aber assoziiert ist, zur Anwendung kommt, wie beispielsweise mit Norwegen oder der Schweiz. Dieser höchst pragmatische Vorschlag passt den Briten allerdings auch nicht. Wenn Michel Barnier es schafft, seine klare Linie bis zum Ende der Verhandlungen durchzuziehen, dann hat er sich auf jeden Fall für höhere europäische Aufgaben qualifiziert.

Und wie geht’s weiter? Vermutlich völlig verrückt. Theresa Mays Argumentationslinie ist ebenso einfach wie verdreht: „Ein zweites Referendum wäre eine klare Missachtung der Demokratie“. Diese Aussage zeigt, dass Theresa May nicht verstanden hat, was „Demokratie“ bedeutet, oder den Sinn von „Referendum“ nicht kennt oder beides. Die unter Vorspiegelung falscher Tatsachen 2016 durchgeführte Volksbefragung, die mit knapp über 51 % Brexit-Befürwortern denkbar knapp ausfiel, wirft derart viele Fragen auf, die seit 2016 diskutiert werden, dass ein „Final Say“-Referendum die wohl demokratischste Lösung wäre, um die Frage abschließend zu klären.

Ein Einbruch des britischen BIP um 7,7 % -Großbritannien (das nach einem möglichen Ausscheiden Schottlands aus dem Vereinigten Königreich und dem Wiederaufflackern der irischen Fragen auch gut „Kleinbritannien“ heißen könnte) müsste sich schon im internationalen Drogenhandel oder Glücksspiel engagieren, um den Kollaps der Wirtschaft zu verhindern.

Je näher der Termin des Brexit rückt, desto deutlicher wird, dass es sich um die vermutlich schlechteste Idee handelt, die je ein Brite hatte. Verbannt David Cameron (und Theresa May, Nigel Narage und Boris Johnson) auf den Affenfelsen von Gibraltar und steigt aus dieser Wahnsinnsnummer Brexit aus. Helft uns stattdessen, diese Europäische Union so zu verändern, dass sie eines Tages nicht nur für die „Märkte“ arbeitet, sondern für die Menschen. Zusammen müssten wir das doch hinkriegen!

1 Kommentar zu Brexit – läuft nicht für Theresa May

  1. Bravo!

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