Brexit? Läuft!

Auf den nationalistischen Rausch des Brexits folgt ein schlimmer Kater. Denn auf einmal merken die Briten, dass ihre Politiker den Brexit gar nicht vorbereitet haben.

Solche Schilder hatte man zuletzt während der Öl-Krise 1973 gesehen. Dank des Brexits können viele britische Tankstellen diese Schilder wieder aus dem Keller holen. Foto: U.S. National Archives and Records Administration / Wikimedia Commons / PD

(KL) – Leere Regale in den Supermärkten, ewig lange Schlange vor Tankstellen, Probleme bei Im- und Export von wichtigen Nahrungsmitteln und anderen Produkten des täglichen Gebrauchs, 100.000 zu besetzende LKW-Fahrer-Stellen – der Brexit entwickelt sich für viele Briten zum Albtraum.

David Cameron, Theresa May und Boris Johnson haben alle den gleichen Fehler gemacht. Sie haben sich am „Britannia rules“ besoffen, ihre Landsleute in einen nationalistischen Freudentaumel gestürzt und dabei vergessen, den von ihnen propagierten Brexit wenigstens minimal vorzubereiten. Doch mit „Das sehen wir dann schon“ kommen die Briten gerade nicht weiter.

Boris Johnson sucht nun die Lösung – in Europa. Nach zahlreichen unfreundlichen Regelungen für EU-Bürger, die im Vereinten Königreich leben, will der britische Regierungschef nun 10.500 Visa für ausländische LKW-Fahrer erteilen. Nur – wer hat jetzt noch Lust, befristet in ein inzwischen fremdenfeindliches Großbritannien zu ziehen, um dort auf der falschen Straßenseite LKWs zu fahren und den britischen Karren aus dem Dreck zu ziehen?

Dass die britischen Brexit-Fanatiker viereinhalb Jahre lang nichts für ihren Brexit vorbereitet hatten, erkannte man bereits in den ersten Tagen. So musste vor Dover ein Not-Parkplatz aus dem Boden gestampft werden, da die Brexit-Verantwortlichen nicht eingeplant hatten, dass die von ihnen gewünschten Zollformalitäten zu endlosen Staus in Dover führen würden. Die inner-irische Grenzfrage war ebenso wenig geregelt wie die Frage der Versorgung mit nicht in Großbritannien hergestellten Produkten des täglichen Bedarfs.

Doch nun stellen sich nach dem ersten „Britain first“-Jubel die Probleme des täglichen Lebens ein. Und die treffen die Briten, speziell in den unteren Einkommensschichten, ganz massiv.

Die Versorgungslage ist in Teilen Großbritanniens angespannt. Für Boris Johnson ist das alles kein Problem. Er will nun im Schnellverfahren LKW-Fahrer ausbilden, ausländische LKW-Fahrer auf die Insel lotsen und damit die Situation in den Griff bekommen. Nur – die Regale sind heute leer, die Tankstellen haben heute kein Benzin zu verkaufen.

Und natürlich führt die Verknappung von Lebensmitteln und anderen Produkten des täglichen Bedarfs zwangsläufig auch zu einer Teuerung und damit zur Inflation. Wie immer treffen solche Entwicklungen zunächst diejenigen, die darunter am meisten zu leiden haben, nämlich die sozial schwächeren Bevölkerungsschichten.

In anderen Ländern, in denen man ebenfalls über einen „-xit“ nachdenkt, sollte man aufmerksam auf die britische Insel schauen. Denn mit nationalistischem Jubel und dem Gefühl der nationalen Überlegenheit füllt man weder Mägen, noch den Tank des Autos. Was die britischen Nationalisten mit dem Brexit tatsächlich bezwecken, bleibt immer noch rätselhaft. Und vermutlich können nicht einmal diejenigen, die ihn mit aller Gewalt durchgeboxt haben, darauf eine Antwort geben. Also, Abwarten und Tee trinken. So lange es noch Tee in den Supermärkten zu kaufen gibt…

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