Brexit – und weiter geht’s…

Die 27 EU-Mitgliedsstaaten haben beschlossen, Großbritannien eine weitere Fristverlängerung für den Brexit einzuräumen. Was die Verlängerung bis zum 31. Januar 2020 bringen soll, ist unklar.

Der Brexit hat wieder einmal die "red line" genommen... Foto: AlbertHerring at en.Wikipedia / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 3.0

(KL) – In den Sozialen Netzwerken kursieren witzige Post mit diesem oder ähnlichem Inhalt: „Wir schreiben das Jahr 2119. Wie jedes Jahr kommt der britische Regierungschef nach Brüssel, um eine Fristverlängerung für den Brexit zu beantragen. Zwar weiß niemand mehr, woher diese Tradition stammt, aber sie zieht jedes Jahr Tausende von Touristen in die belgische Hauptstadt.“ Dass es so weit kommen kann, das befürchten zwar nur die größten Pessimisten, doch so ganz von der Hand ist das auch nicht zu weisen. Mittlerweile sind wir in der vierten Fristverlängerung und man hat keineswegs das Gefühl, als würden sich die Briten einer wie auch immer gearteten Meinungsbildung nähern.

Dass nun Boris Johnson und sein Widersacher Jeremy Corbyn eine Art Wunderheilung durch Neuwahlen versprechen, ist eine Illusion. Egal, wie die Kräfteverhältnisse nach Neuwahlen auch aussehen mögen, sie werden keinesfalls die Unklarheiten ausräumen, die in den letzten dreieinhalb Jahren schon nicht zu überwinden waren. Dabei sind wir Europäer nicht die einzigen, die von diesem Hin und Her genervt sind, auch die Briten ertragen dieses Politik-Schauspiel nicht mehr. Doch sollten sich die Briten hüten, „das Ding jetzt über die Bühne bringen“ zu wollen, denn für sie geht es um nicht weniger als den Zusammenhalt des Vereinten Königreichs und die Zukunft ihres Landes. Da ist die Einstellung „egal, wir ziehen das jetzt durch“ gefährlich bis sehr gefährlich.

Die von Ratspräsident Donald Tusk verkündete europäische Einigung auf eine weitere Fristverlängerung ist allerdings an klare Bedingungen geknüpft. Zum einen sieht diese Verlängerung vor, dass die Briten (falls sie sich auf irgendetwas verständigen können) bereits zim 30. November oder zum 31. Dezember aussteigen können, sollte bis dahin ein unterschriebener Vertrag vorliegen. Das klingt stark nach frommem Wunsch, denn die Arbeiten an einem hierfür zwingend vorgeschriebenen Gesetz hat Boris Johnson letzte Woche im Parlament auf unbestimmte Zeit eingestellt. Ab sofort interessieren ihn nur noch Neuwahlen. Dazu wurde eindeutig festgelegt, dass es zu keinerlei weiteren Verhandlungen kommen wird und dass die Briten einen EU-Kommissar benennen müssen, um den Regularien der europäischen Institutionen zu entsprechen.

Dass die Briten, die eigentlich schon draußen sind, doch weiter mitmischen, ist ein unglaubliches Ärgernis. Immer noch kassieren die Farage & Co. satte Gehälter im Europäischen Parlament, und nun sollen sie auch noch einen EU-Kommissar stellen, der laut der Richtlinien nicht die Interessen seines Landes, sondern diejenigen der Europäischen Union vertreten soll? Das Ganze klingt schon wieder mächtig nach administrativem Schildbürgerstreich…

Wenn es, wie Boris Johnson das möchte, tatsächlich Neuwahlen gibt, stellt sich die Frage, was das ändert. Für die über 50 % der Briten, die inzwischen gegen den Brexit sind, nachdem klar wurde, dass die „Brexiteers“ vor dem Referendum das Blaue vom Himmel gelogen und der „Yellowhammer-Report“ aufgezeigt hat, was die Briten nach einem Brexit erwartet, ist auch Jeremy Corbyn kein Hoffnungsträger – der Labour-Chef hat sich noch nie gegen den Brexit positioniert und letztlich bleiben denjenigen, die gegen den Austritt aus der EU sind, nur die Liberaldemokraten. Die werden zwar immer stärker, doch für einen Wahlsieg wird es nicht reichen.

Nach eventuellen Neuwahlen wäre dann entweder Boris Johnson im Amt bestätigt oder Labour würde mit Corbyn die Regierung übernehmen. Und dann? Dann stehen wir genau da, wo wir heute stehen – mit einem Großbritannien, das seit dreieinhalb Jahren nicht weiß, was es eigentlich will und letztlich mit dem mehr oder weniger gleichen Parlament, nur, dass dann Seiten zwischen Regierungs- und Oppositionsbank gewechselt werden.

Was bitte hält die britische Politik davon ab, das von so vielen Seiten geforderte zweite Referendum abzuhalten? Die Angst vor einer neonationalistischen Minderheit? Die Angst, vor Europa das Gesicht zu verlieren? Zumindest vor dem zweiten Punkt muss sich in Großbritannien niemand mehr fürchten, denn das ist längst passiert. Es wird lange Jahre dauern, bis die Briten, ob innerhalb oder außerhalb der EU, politisch wieder als zuverlässiger Partner ernst genommen werden können. Der Schaden, den der Brexit angerichtet hat, bevor er überhaupt stattfindet, ist enorm. Danke David Cameron, danke, Theresa May, danke Boris Johnson…

Kommentar hinterlassen

E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht.

*



Copyright © Eurojournaliste