Brot und Spiele

Gestern ging es also los. Zum Auftakt der 21. Fußball-WM spielte Russland gegen Saudi-Arabien. Vier Wochen können die Fans das Elend dieser Welt vergessen. Na dann.

Auch solche Peinlichkeiten werden wir in den nächsten Wochen wieder sehen... Foto: EveryPicture / CC-BY-SA 3.0 (via Wikimedia Commons)

(KL) – Seit gestern spricht kaum noch jemand von Menschenrechten, Pressefreiheit oder Gulags in Sibirien, wenn es um das Thema Russland geht. Kaum noch jemand interessiert sich für die Frage, wer gerade wen in Syrien bombardiert. Kaum noch jemand lässt sich von Fragen wie einem Handelskrieg nerven – Hurra, es ist WM! Holt Bier, Chips und die Fan-Devotionalien aus dem Keller, ab sofort darf man vier Wochen lang seinen finstersten nationalistischen Phantasien freien Lauf lassen.

Da hängen sie also wieder, die deutschen Fahnen aus deutschen Häusern und wir freuen uns jetzt schon auf die unsäglichen Autokorsos, sollte das deutsche Team die KO-Runde erreichen. Und das tut das deutsche Team natürlich, denn mit Bundestrainer Jogi Löw, dem badischen Beitrag zu dieser WM, kann Deutschland bis zum Halbfinale nicht ausscheiden. Unter Jogi gibt es nämlich mindestens eine Halbfinalgarantie.

Wie immer weckt die WM Gefühle, die man außerhalb von WM-Zeiten peinlich berührt verschweigt. Was glauben Sie, in wie vielen deutschen Wohnzimmern in den nächsten Wochen auch die dritte Strophe des Deutschlandlieds mitgeschmettert wird? Und wann kann man schon mit dem deutschen Adler auf dem T-Shirt durch die Stadt laufen, ohne gleich als AfDler oder noch schlimmeres bezeichnet zu werden?

Für Wladimir Putin ist die Welt nun für ein paar Wochen lang in Ordnung. Niemand wird ihn mit so blöden Themen wie der Krim oder dem Abschuss der niederländischen Verkehrsmaschine konfrontieren, niemand wird mehr Pressefreiheit und mehr Menschenrechte anmahnen, aber die Welt wird sich, wie 1936 in Berlin, vor der umwerfenden Leistung verneigen, für Milliardenbeträge neue Infrastrukturen gebaut zu haben. Gerüchten zufolge werden auch, um Putin nicht zu verärgern, die russischen Kicker von Dopingkontrollen ausgenommen. Was ja auch Sinn macht.

Gekickt wird in Russland auch. Und wenn Ihnen die Freitags-Paarungen Ägypten – Uruguay oder Marokko – Iran nicht spannend genug sind, dann sollten Sie sich den heutigen Abend reservieren. Um 20 Uhr kommt es zur Begegnung Portugal gegen Spanien. Ein Match, das auch ein Finale hätte sein können.

Also, hoch die Tassen und brav national gejubelt! Deutschland vor, noch ein Tor! Oder Allez, les Bleus! Oder Hop Schwyz! Wie schön, dass das dann alles auch in absehbarer Zeit wieder vorbei ist…

3 Kommentare zu Brot und Spiele

  1. Also Herr Littmann .. was hätten Sie denn geschrieben, wenn die Karre bleu blanc rouge oder sonstwie eingefärbt gewesen wäre? Ich unterstelle ihnen einfach mal: nix. Lassen Sie doch bitte diesen linken Oberlehrerjournalismus und nehmen Sie sich der wichtigen Themen an. In ein paar Wochen ist alles vorbei und wir haben wieder Ruhe vor den Buben.

    • Eurojournalist(e) // 17. Juni 2018 um 11:24 // Antworten

      Genau das gleiche… dieser ganze Nationalismus-Hype rund um eine WM, die eine PR-Veranstaltung Putins ist, geht mit persönlich ziemlich auf die Nerven. Aber – chacun son truc…

  2. Menschen in unserem Alter sollten wissen, dass man sowas alle 4 Jahre in Kauf nehmen muss. Dieses testosterongeladene Verhalten als Nationalismus zu bezeichnen ist dann aber doch etwas weit weg. Das sehen selbst die Übellinken ein, lesen Sie doch Claudia Roth in Zeit Online. Und zum Thema DE-FR gibt es sicher zig wichtigere Themen … und das kommt besser.

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