Castex & Co.

Frankreichs Premierminister Jean Castex zieht nun auch die Daumenschrauben an, um die Pandemie zu bekämpfen. Zumindest ein bisschen. Und seine Minister machen auch mit.

Jean Castex - auf dem besten Weg, ein TV-Star zu werden... Foto: Eriotac / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 3.0

(KL) – Die Regierungs-Verlautbarungen im französischen Fernsehen werden immer mehr zu einem TV-Format, 90 Minuten, unter Teilnahme aller relevanten Minister, die einer nach dem anderen von Premier Jean Castex ans Rednerpult gerufen werden, um dort ihr Füllhorn für die Bevölkerung auszuschütten. Dabei ist das Format inzwischen standardisiert – Castex verkündet die bitteren Pillen, die Minister erklären, mit welchen Gegenmitteln sie arbeiten wollen. Ernsthaft, die französische Regierung gibt sich große Mühe, das Land aus dem Schlamassel zu führen. Doch spätestens seit der Ariel-Werbung weiß man – „Mühe allein reicht nicht“…

Nach anderthalb Stunden freundlich lächelnder Minister am Rednerpult fällt es schwer, sich an die Fülle der einzelnen Maßnahmen zu erinnern. So behält man nur die groben Linien im Kopf und übersieht schon mal das Kleingedruckte. Aber das sollte man auch lesen.

Am Samstag gilt die abendliche und nächtliche Ausgangssperre ab 18 Uhr in ganz Frankreich. Angeblich soll das die Zirkulation der Menschen reduzieren. Angeblich soll das in Finnland tolle Ergebnisse gebracht haben. Aber ob man den Winter in Finnland, in dem sich ohnehin niemand freiwillig in die Rund-um-die-Uhr-Dunkelheit im Freien begibt, mit der Situation in Frankreich vergleichen kann? Die ersten Tage der auf 18 Uhr vorgezogenen Ausgangssperre (die vorher ab 20 Uhr galt) in einer Stadt wie Straßburg haben vor allem zu proppevollen Trams und Bussen zu den Stoßzeiten geführt, die jetzt auch noch in einem verkürzten Zeitfenster komprimiert werden. Gleiches gilt in den Lebensmittelmärkten, in denen „abends“ zwischen 16:30 Uhr und 18 Uhr enormes Gedrängel herrscht. Aber erst einmal soll diese Ausgangssperre ohnehin nur zwei Wochen dauern, als ob sich in den kommenden zwei Wochen irgendetwas ändern würde. Aber wer weiß, vielleicht ist Frankreich ja doch wie die finnische Steppe und das Ganze funktioniert.

Die Schulen bleiben geöffnet, damit die Eltern weiter arbeiten gehen können. Und bereits ab dem 25. Januar sollen die Universitäten wieder öffnen, aber nur in halber Kursstärke. Ob das nun die Ausbreitung der mittlerweile immer mehr werdenden Mutationen des Virus stoppt, das wird man sehen. In praktisch allen anderen Ländern lässt man momentan die Schulen geschlossen.

Wirtschaftsminister Bruno Le Maire präsentierte gleich ein ganzes Paket an Maßnahmen und Sonderhilfen, die erstaunlich sind, wie beispielsweise die Übernahme der Fixkosten für Restaurants. Und vieles andere. Man muss dabei hoffen, dass dies im verwaltungslastigen Frankreich funktioniert und nicht in einer Laokoon-Gruppe aus Anträgen, Genehmigungen, Ablehnungen, Verzögerungen aller Art versandet. Aber ernsthaft, sie versuchen es. Sie versuchen alles, was nur denkbar ist.

Dabei verweisen praktisch alle Minister und Ministerinnen darauf, dass die Situation ja die gleiche sei wie in allen anderen europäischen Ländern. Ein guter erster Schritt auf dem Weg zur Erkenntnis, dass wenn die Situation überall die gleiche ist, es vielleicht auch Sinn machen würde, wenn man gemeinsam eine europäische Strategie entwickeln würde. Denn wenn weiterhin alle verschiedene Maßnahmen treffen, dann will alleine schon die Statistik, dass zumindest einige falsch liegen (bisher haben es alle falsch gemacht, denn kein Land hat die Pandemie bisher wirklich in den Griff bekommen). Und wenn es zumindest einige falsch machen, dann will die Logik, dass das Virus weiter munter zirkulieren kann und wir keine Chance haben, es gemeinsam zu besiegen.

Die von Gesundheitsminister Olivier Véran präsentierte Impfstrategie klang prima und nun hoffen alle, dass diese auch greift. Irgendwann.

Ja, es klang irgendwie alle gut. Und schon in zwei Wochen können wir sehen, ob die Maßnahmen nicht gelockert werden können. In zwei Wochen. Es wäre verwunderlich, wenn es auch nur einen Franzosen gäbe, der daran glaubt, dass diese Pandemie innerhalb der nächsten zwei Wochen so unter Kontrolle ist, dass man Maßnahmen lockern kann. Aber gut. Man wird es sehen. Man wird alles sehen. Und wenn wir ganz viel Glück haben, werden die Verantwortlichen in Frankreich und in Deutschland irgendwann auf den Trichter kommen, dass wenn alle unterschiedliche und nicht abgestimmte Maßnahmen treffen, sich diese leider gegenseitig aufheben. Bisher haben sie in Frankreich und Deutschland immerhin schon erkannt, dass die pandemische Situation überall mehr oder weniger die gleiche ist. Von da ist es nicht mehr weit zur Erkenntnis, dass man bei gleicher Problemstellung vielleicht auch einen gleichen Lösungsansatz versuchen sollte, nachdem ein Jahr nationalen Trial-and-Errors eben nichts gebracht haben.

Bleiben die Hoffnung und das angenehme Gefühl, dass die Regierungen besten Willens sind. Und alle die Ärmel hochgekrempelt haben, um an Lösungen zu arbeiten. Ein vielversprechender Beginn…

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