CETA und TTIP – ist die SPD eine „linke“ Partei?

Beim SPD-Parteikonvent will Sigmar Gabriel am Wochenende eine positive Haltung seiner Partei zu den Freihandelsabkommen erreichen. Doch es gibt Widerstand.

Handel ist OK. Aber wird die SPD ihren Chef überzeugen können, dass CETA und TTIP richtig schlecht sind? Foto: Raimond Spekking / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 3.0

(KL) – An dieser Frage wird sich mit entscheiden, ob die SPD weiterhin eine „linke“ Volkspartei oder auch nur ein Erfüllungsgehilfe für das Großkapital ist – der am Wochenende stattfindende Parteikonvent muss entscheiden, ob die SPD dem Antrag von Sigmar Gabriel folgt und sich mehr oder weniger bedingungslos hinter zwei Freihandelsabkommen stellt, die außer einer Handvoll Großkonzerne und Lobbygruppen niemand haben will.

Denn das Thema, das beiden Abkommen, dem CETA zwischen der EU und Kanada und dem TTIP zwischen der EU und den USA zugrunde liegt, trägt die schöne Bezeichnung „Investitionsschutz“. Ein durchweg positiv besetzter Begriff. Investitionen sind wichtig und gut und diese zu schützen, das kann ja wohl nicht schlecht sein. Könnte man meinen. Dass allerdings mit „Investitionsschutz“ die Einführung privater Schlichtungsstellen gemeint ist, die außerhalb des normalen Rechtswegs entscheiden sollen, wie Unternehmen entschädigt werden, die sich auf dem jeweils anderen Markt benachteiligt fühlen, das versucht auch Sigmar Gabriel zu minimieren. Aber warum nur?

Wo soll der Vorteil darin liegen, die Zukunft der europäischen Wirtschaft privaten amerikanischen Schlichtungsstellen anzuvertrauen, deren Hauptziel nicht das Sicherstellen eines fairen Handels zwischen den Vertragsparteien sein wird, sondern das Wohlergehen amerikanischer Unternehmen? Und wieso verteidigt jetzt der SPD-Chef so vehement zwei Abkommen, deren Zustandekommen völlig undemokratisch ist und das er selbst noch während des Bundestagswahlkampfs heftig kritisiert hatte?

In der SPD-Fraktion gibt es bei all denen, die sich mit dem Thema beschäftigt haben, massive Widerstände. Ein Präsidiumsmitglied war sogar der Ansicht, dass der Antrag von Sigmar Gabriel „in der aktuellen Form nicht mehrheitsfähig“ sei – da wird es spannend sein zu sehen, wer sich am Ende durchsetzen wird. Und vor allem, in welche Richtung sich die SPD entwickeln wird.

Das Abkommen mit Kanada, das CETA, steht für die nächste Woche auf dem Programm. Das Brüsseler Europa würde dieses Abkommen am liebsten per Dekret in Kraft setzen, also ohne Ratifizierung durch die EU-Mitgliedsstaaten, ja, sogar ohne Unterzeichnung eines entsprechenden Vertragswerks zwischen Kanada und der EU. Letztlich wissen unsere Verantwortlichen, dass diese beiden Abkommen in den Ländern nicht gewollt werden, was aber wiederum die Frage aufwirft, wieso vom Volk gewählte Volksvertreter eine Politik durchsetzen wollen, die das Volk nicht will. Das trägt die Handschrift von Lobbygruppen…

Ob die USA im Rahmen des TTIP europäische Standards in verschiedenen Bereichen wie Soziales, Lebensmittelsicherheit, Arbeitskonditionen etc. übernehmen werden, ist mehr als fraglich. Denn den Amerikanern geht es beim TTIP nicht um Standards, sondern darum, beide Füße auf die europäischen Märkte zu bekommen und dabei Werkzeuge in der Hand zu haben, mit denen widerspenstige EU-Staaten durch Strafzahlungen im US-Format (sprich: unvorstellbar hohe Summen) diszipliniert werden können. Dass europäische Politiker argumentieren, dass dies umgekehrt auch so sei, das hat schon etwas Blauäugiges an sich. Ob amerikanische Schiedsgerichte ihr eigenes Land zu Strafzahlungen verurteilen werden, weil ein europäisches Unternehmen meint, in den USA keine fairen Marktbedingungen vorzufinden? Das allerdings wäre sehr unamerikanisch.

Auch blieb Sigmar Gabriel bislang eine glaubhafte Erklärung schuldig, warum das TTIP trotz der allseitigen Forderungen nach Transparenz in den Verhandlungen weiter hinter verschlossenen Türen verhandelt wird, so dass sich nicht einmal die EU-Abgeordneten ein echtes Bild machen können. Man weiß ja noch nicht einmal genau, wer da eigentlich alles für wen am Tisch sitzt.

Auf die SPD kommt am Wochenende bei ihrem Parteikonvent eine echte Richtungsentscheidung zu. Will sie die „Partei der kleinen Leute“ sein, welche die Interessen der Menschen vertritt oder will sie ein kleines Rädchen in den Machtkämpfen zwischen Großkapital, Lobbygruppen und Politikern sein, deren Motivationen, um es mal vorsichtig zu sagen, ziemlich unklar sind. Sollte sich die SPD dafür entscheiden, sich politisch neben die CDU und alte Positionen der FDP (ja, diese Splittergruppe mischte früher auch mal bei diesen Fragen mit…) zu stellen, dann läuft sie Gefahr, sich überflüssig zu machen. Die Tatsache, dass der SPD zumindest in den neuen Bundesländern schon die AfD im Nacken sitzt, sollte Sigmar Gabriel zum Nachdenken bringen. Und idealerweise zu einer klaren Ablehnung des CETA und des TTIP. Eine solche Entscheidung würde die SPD wieder deutlich näher an ihre Wählerschaft rücken.

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