Charlie Hebdo – 4 Jahre danach

Das fürchterliche Attentat auf das Satiremagazin Charlie Hebdo hat Frankreich grundlegend verändert. Seit 2015 ist die „Normalität“ aus Frankreich verschwunden.

In den vier Jahren seit dem Attentat auf "Charlie Hebdo" hat sich die französische Gesellschaft stark verändert. Foto: G. Garitan / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 4.0int

(KL) – Der 7. und 8. Januar 2015 haben Frankreich in seinen Grundfesten erschüttert. Bei dem Überfall auf das Satiremagazin „Charlie Hebdo“ und am nächsten Tag auf einen jüdischen Supermarkt kamen 16 Menschen ums Leben. Seither ist in Frankreich nichts mehr wie vorher – die Terroristen haben ihr Ziel erreicht. Sie wollten Frankreich erschüttern und destabilisieren und wenn man heute sieht, wie sich selbst das Bild der französischen Innenstädte verändert hat, dann muss man feststellen, dass der Terrorismus dem Land seinen Stempel aufgedrückt hat.

Die Karikaturisten und Zeichner Cabu, Charb, Honoré, Tignous und Wolinski, deren Illustrationen in Frankreich jedes Kind kennt, die Psychologin Elsa Cayat, der Wirtschaftsexperte Bernard Maris, der Polizist Franck Brinsolaro, der Lektor Mustapha Ourrad, der Kulturpromoter Michel Renaud und der Wachmann Frédéric Boisseau wurden im Redaktionsgebäude von „Charlie Hebdo“ kaltblütig von in Frankreich geborenen Terroristen ermordet, die das Attentat für die Terrororganisation Al-Qaida begingen.

Seitdem bemüht sich Frankreich um so etwas wie Normalität, doch dieser Versuch gelingt nicht. Inzwischen gehören schwer bewaffnete Militärpatrouillen zum Bild der Innenstädte, sind die Kontrollen an Bahnhöfen, Flughäfen, Eingängen von öffentlichen Gebäuden eine Selbstverständlichkeit, die von den Menschen hingenommen wird – es geht ja um die eigene Sicherheit. Doch angesichts einer neuen Art des Terrorismus, bei dem Anschläge von vor Ort lebenden Terroristen ohne nähere Anbindung an bestehende Netzwerke quasi „im Alleingang“ verübt werden, sind die Möglichkeiten eines effektiven Schutzes sehr begrenzt. Das erkennt man alleine schon an den zahlreichen Anschlägen, die seit 2015 in Frankreich begangen wurden.

Die Angst ist zum bestimmenden Element des Lebens in Frankreich geworden, auch, wenn man alles daran setzt, „trotzdem“ weiterhin ein normales Leben zu führen. Doch bei allem Mut, bei aller Entschlossenheit, die heute von den Franzosen an den Tag gelegt wird, hat das Attentat auf „Charlie Hebdo“ die französische Gesellschaft verändert. Politisch ist das Land weit nach rechts gerückt und auch die aktuellen Ereignisse rund um die „Gelbwesten“ führen dazu, dass der Ruf nach „dem starken Mann“ immer lauter wird – auch, wenn der „starke Mann“ in Frankreich wohl eher eine „starke Frau“ ist – die rechtsextreme Marine Le Pen, die wohl bei den nächsten Wahlen die besten Karten hat.

Für ein vermeintliches Plus an Sicherheit akzeptiert man in Frankreich inzwischen (wie auch in anderen vom Terrorismus gebeutelten Ländern) ein Minus an persönlichen Freiheiten. Das ist nachvollziehbar, hat allerdings auch etwas Hilfloses, denn alle Sicherheitsmaßnahmen können Anschläge nicht verhindern, nicht einmal im Hochsicherheitstrakt des Straßburger Weihnachtsmarkts.

Seit dem Anschlag auf „Charlie Hebdo“ ist die Angst vor dem Terrorismus ein täglicher Begleiter der Franzosen geworden. Nach jedem Anschlag manifestiert sich die Angst vor dem nächsten Attentat. Die aktuelle Gewalt der „Gelbwesten“ ist dabei etwas, worüber sich die Terroristen freuen – denn je zerrissener die französische Gesellschaft ist, desto eher erreichen sie ihr Ziel – den französischen Staat, aber auch ganz Europa und die Zelt in Angst und Schrecken zu versetzen. Die Normalität der Leichtigkeit des Seins, die Frankreich immer so liebens- und lebenswert gemacht hat, ist durch die Normalität der Angst ersetzt worden. Es wird lange, lange Zeit brauchen, bis Frankreich sich wiederfindet. Das einzig erfreuliche daran ist, dass „Charlie Hebdo“ nie aufgegeben hat und weiterhin die Franzosen mit scharfer Gesellschaftskritik konfrontiert. Doch wird all das trotzige „ihr zwingt uns nicht in die Knie!“ nicht das Gefühl von Freiheit und Sicherheit ersetzen können. Sollten bei den nächsten Wahlen tatsächlich die Extremisten an die Macht kommen, dann ist dies mehr oder weniger direkt auch eine Konsequenz der Attentate vom 7. und 8. Januar 2015. Vier Jahre später sollte man sich daran erinnern. Denn was Frankreich heute braucht, ist Kohärenz und Solidarität – nicht aber, dass selbstgefällige Großmäuler Frankreich erneut den Krieg erklären.

Hoffen wir, dass der Satz „Je suis Charlie“ bald seinen richtigen Sinn wiederfindet.

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