Corona-Kakophonie und kein Ende

Die 16 Bundesländer überschlagen sich bei der Ankündigung neuer Corona-Maßnahmen. Die sich größtenteils widersprechen und teilweise völlig nutzlos sind. Währenddessen steigen die Zahlen.

In Nordirland hat man es begriffen, anderswo leider nicht - die sanitären Massnahmen müssen von Geimpften und Nicht-Geimpften weiter eingehalten werden. Foto: Northern Ireland Executive / Wikimedia Commons / OGL V1.0

(KL) – Sachsen plant bereits einen neuen Lockdown für Ungeimpfte, Bayern überlegt die Maskenpflicht an den Schulen wieder einzuführen, anderswo denkt man über die Aufhebung der Maßnahmen nach und gleichzeitig häufen sich die Nachrichten, die eindeutig darauf hinweisen, dass keine der bisher getroffenen Maßnahmen das Potential bietet, diese Pandemie wirksam einzudämmen. Und trotzdem strickt weiterhin jedes Bundesland an seinen hilflosen bis verzweifelten Lösungen, während die Bundesregierung den „epidemischen Notstand“ Ende November aufheben wird.

Mit der Bekämpfung der nächste „Welle“ hat das alles nichts mehr zu tun. So darf man sich in Sachsen bereits auf eine Infektionswelle der Geimpften und Genesenen einstellen, die sich dann eben untereinander anstecken werden. Der Schutz der aktuellen Impfstoffe gegen das Delta-Variant liegt bei 50 bis 70 %, bei Astrazeneca darunter. Sprich: Die Impfung bietet rund der Hälfte der Geimpften einen Schutz vor einem schweren Krankheitsverlauf, aber sie schützt keineswegs davor, dass man sich infiziert und das Virus weitergibt. Ebenso in Haushalten, in denen sich eine infizierte Person befindet – dort infizieren sich, wenig überraschend, die Hälfte der anderen Personen im Haushalt, ob diese geimpft sind oder nicht.

Die Abschaffung der kostenlosen Tests war der Moment, zu dem der Kampf gegen das Virus aufgegeben wurde, in der irrigen Hoffnung, dass diese Maßnahme dazu führen könne, dass sich mehr Menschen impfen lassen würden. Doch die Zahlen sprechen eine eindeutige Sprache – in Ländern wie Deutschland oder Frankreich verweigert rund ein Drittel der Bevölkerung die Impfung. Weder Prämien, noch Zwangsmaßnahmen führen zum gewünschten Ergebnis, im Gegenteil. Je mehr Versprechungen gemacht werden, je mehr gedroht wird, desto mehr steigt nicht etwa die Impfbereitschaft, sondern das Mißtrauen in die Regierungen. So erklären inzwischen 90 % der Nicht-Geimpften, dass sie sich auf keinen Fall impfen lassen wollen. Das sind Tatsachen, mit denen es umzugehen gilt.

Auch der digitale Impfpass ist ein absoluter Flop. Dieser wird zwar weiter munter gefordert, doch sind „echte falsche“ Impfpässe mittlerweile nicht mehr nur im „Dark Net“ erhältlich, sondern fast überall. Der Preis hat sich bei 300 € eingependelt und der aktuelle Vorschlag lautet, alle Impfpässe ungültig zu machen und die Geimpften aufzufordern, sich einen neuen, „sicheren“ Impfpass abzuholen.

Zeitgleich steigen erwartungsgemäß nicht nur die Infektionszahlen, sondern auch die Belegung der Intensivbetten. In Deutschland sind momentan noch 2800 Intensivbetten frei, was zu Beginn der kalten Jahreszeit erschreckend wenig ist. Das Gerede von „Freedom Day“, vom „Ende der Pandemie“, von der „Kontrolle des Virus“ hat die Bevölkerung in die Irre geführt und das falsche Gefühl vermittelt, für Geimpfte wäre die Pandemie so gut wie vorbei. Kein Wunder, dass sich diese Personengruppe entsprechend verhält und mit dafür sorgt, dass sich das Virus weiterhin ungehindert verbreiten kann.

Es ist unglaublich, wie sich die Bundesregierung aus der Verantwortung stiehlt. Das „Ende der epidemischen Notlage“ (bereits der Begriff ist völlig falsch, denn es handelt sich nicht um eine Epidemie, sondern um eine Pandemie, was nicht das gleiche ist), bei gleichzeitiger Übertragung der Verantwortung auf die Bundesländer, ist der Offenbarungseid der Regierung vor dieser Pandemie. Das Ergebnis: Jeder Landesfürst und jede Landesfürstin dekretiert das, was man gerade für richtig hält, ohne darauf zu schauen, was wenige Kilometer weiter passiert.

Und auch, wenn wir das praktisch jede Woche schreiben, so ist noch unglaublicher, dass auch nach fast zwei Jahren keiner der Verantwortlichen auf die Idee kommt, diese Pandemie in einer ersten Phase auf europäischer Ebene zu bekämpfen, durch eine konsequente Harmonisierung der Maßnahmen und deren strikte Einhaltung. Langsam bekommt man das Gefühl, dass es den Regierungen nur noch darum geht, eine maximale Anzahl Impfdosen unters Volk zu bringen und ansonsten die Bevölkerung zu disziplinieren. Doch dies wird die Pandemie nicht stoppen. Und das schreibt nicht etwa ein Querdenker oder Impfgegner oder sonstiger Schwurbler, sondern eine Person, die doppelt mit einem Vakzin geimpft ist, dessen Wirksamkeit gegen das aktuell dominante Variant unter 50 % liegt. Wäre es nicht sinnvoller, es doch einmal auf europäischer Ebene zu probieren, angesichts steigender Zahlen und einer neuen Welle, die von allen Experten als „heftig“ und eine „Welle der Geimpften“ eingeschätzt wird?

Kommentar hinterlassen

E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht.

*



Copyright © Eurojournaliste