Corona-Klein-Klein…

Die Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Coronavirus werden immer regionaler und immer wirkungsloser. Die hektisch getroffenen Maßnahmen zeigen vor allem eins: das Fehlen einer echten Strategie.

Der wunderschöne Blumenmarkt auf dem Cours Saleya in Nizza - heute ein Hopspot erster Kategorie. Foto: dalbera / Wikimedia Commons / CC-BY 2.0

(KL) – Was haben die Städte Nizza in Südfrankreich und Flensburg in Norddeutschland gemein? Nun, beide Städte liegen am Meer, wenngleich auch nicht am gleichen – Nizza ist die Perle des Mittelmeers und Flensburg liegt an der Ostsee. Aber noch etwas haben beide Städte gemein – in beiden Städten grassiert gerade das Coronavirus und zwar wesentlich virulenter als anderswo. Die Maßnahmen, mit denen dieses Phänomen gestoppt werden soll, haben wenig Aussicht auf Erfolg, denn sie sind halbherzig, reaktiv und sie folgen keinerlei Strategie. Doch mit derart amateurhaft getroffenen Entscheidungen werden wir das Virus nicht besiegen können.

Nizza, ah Nizza! Die Promenade des Anglais, die Arenen von Cimiez, der Mont Boron, der Blumenmarkt auf dem Cours Saleya, die wunderschöne Altstadt – ein Traum. Nur momentan leider nicht, denn Nizza weist eine Inzidenz von über 700 auf, dreimal höher als selbst der schon hohe frankreichweite Durchschnitt. Und auch Flensburg, Heimat des Kraftfahrtbundesamts und einer außergewöhnlich guten Handball-Mannschaft, hat gerade ein echtes Problem – in der Küstenstadt ist gerade die « britische » Variante unterwegs. In beiden Städten versucht man nun, mit Maßnahmen zu reagieren, die zwar gut zu kommunizieren sind, aber das Virus kaum stoppen werden. Und einmal mehr zeigt sich, dass es keine wirkliche Strategie gibt – die Regierungen funktionieren „auf Zuruf“ und das reicht eben einfach nicht.

In Nizza gilt ab morgen ein so genannter „Teil-Lockdown“, also wie immer, nichts Halbes und nichts Ganzes. Als „Sofort-Massnahme“ sollen 3500 zusätzliche Dosen des BionTech-Pfizer-Vakzins nach Nizza geliefert werden – eine Maßnahme, die keinesfalls geeignet ist, die extrem hohe Inzidenz in der Stadt verbessern zu können. Dass der Präfekt des Departements Alpes-Maritimes der Ansicht ist, dass dies „die Impfkampagne beschleunigen wird“, ist erstaunlich, denn wir befinden uns auch mit diesen 3500 zusätzlichen Dosen im unteren, einstelligen Prozentbereich der geimpften Bevölkerung. Dazu müssen Geschäfte mit einer Ladenfläche von mehr als 5000 m2 schließen, außer Lebensmittelgeschäften und Apotheken. Geschäfte, deren Ladenfläche weniger als 400 m2 beträgt, müssen 10 bis 15 m2 pro Kunde reservieren und es wird den Geschäften dringend angeraten, einen „Covid-Mediator“ zu benennen, der für die Einhaltung der Regeln verantwortlich sein soll. Und – für die kommenden zwei Wochenenden wird die Bevölkerung an der Côte d’Azur, zwischen Menton und Théoule-sur-Mer wieder in einen „Teil-Lockdown“ genommen. Ausnahmen sind nur mit einer schriftlichen Genehmigung möglich, genau wie während des ersten Lockdowns. Damit sollen Bilder wie am letzten Wochenende verhindert werden, als die berühmte Promenade des Anglais voll von Menschen war. In Pandemie-Zeiten ist dieses Verhalten mehr als fragwürdig.

Nur, mit solchen immer regionaler werdenden Maßnahmen erreicht man – nichts. Denn wenn diese Regeln bereits in der Nachbargemeinde nicht mehr gelten, dass ist es logisch, dass das Virus in all seiner Virulenz weiterhin fast ungehindert zirkulieren kann. Und sofort wieder zurückkommt, sobald die eine oder andere Maßnahme wieder aufgehoben wird.

Statt anzufangen, endlich in größeren Zusammenhängen zu denken und zu handeln, wie es eine Pandemie eigentlich erfordern würde, werden Maßnahmen immer regionaler und sogar lokaler getroffen, als hektische Reaktionen auf gegebene Situationen. Doch niemand arbeitet ernsthaft daran, das Entstehen solcher Situationen zu verhindern.

Die Hilflosigkeit der Regierungen, die tapfer weiterhin bei jeder sich bietenden Gelegenheit erklären, wie großartig sie doch die Krise managen (es ist Wahlkampfjahr, in Frankreich wie in Deutschland…), ist offensichtlich. Auf die Schnelle und ohne großes Nachdenken getroffene Entscheidungen senken die Akzeptanz in der Bevölkerung gegen Null.

Nochmal und zum Mitschreiben – wenn wir die Pandemie in Europa bekämpfen wollen, dann brauchen wir schnellstmöglich eine europäische Strategie. „Gestrickte“ Lösungen versuchen wir jetzt seit einem Jahr, ohne dass diese „Lösungen“ zu Ergebnissen geführt hätten. Entscheidungen jetzt auf immer kleinere Ebenen zu verlagern, damit gewinnt man vielleicht die eine oder andere Wählerstimme, aber sicherlich nicht den Kampf gegen das Virus. Weder in Nizza, noch in Flensburg…

4 Kommentare zu Corona-Klein-Klein…

  1. lieber Herr Littmann,
    Sie erwähnen immer wieder eine europäische Lösung. Aber wie soll die aussehen ?

    • Auch, wenn’s schwerfällt – Harmonisierung und konsequente Umsetzung der gleichen Massnahmen. Die Unterschiede im Infektionsgeschehen sind lediglich temporär – dort, wo die Zahlen heute niedrig sind, steigen sie schon morgen wieder und umgekehrt. Eine zentrale Datenbank zur gemeinsamen Verwaltung medizinischer Ressourcen. Gleiche Massnahmen zur gleichen Zeit, in ganz Europa. Geht nicht? Sehen unsere Europäischen Verträge nicht vor? Dann eignen sich diese Verträge nicht für Situationen wie diese. Wer sich in dieser Pandemie hinter Regelwerken versteckt und damit Lösungen blockiert, liegt falsch…

  2. Die gleichen, falschen und oft am Thema vorbeigehenden Maßnahmen ÜBERALL?

    • Wenn man die Ergebnisse anschaut, ja. Was nützen kurzfristige, regionale Verbesserungen, wenn sich im Gesamtkontext nichts verbessert? Lösungen bestehehn meiner Ansicht nach in einem Mix verschiedener Massnahmen (Impfungen, Therapien, Barriere- und Hygiene-Vorgaben), die auch nur dann funktionieren, wenn sie auf kontinentaler Ebene organisiert werden. Doch dadurch, dass jeder macht, was ihm gerade einfällt, heben sich viele Massnahmen gegenseitig auf und führen dazu, was wir seit einem Jahr erleben – ein ständiges Auf und Ab der Zahlen, ohne dass dieses Virus wirklich bekämpft wird.

Kommentar hinterlassen

E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht.

*



Copyright © Eurojournaliste