Corona – und dann? Frage an Wirtschaftsweise
Sind wir mit dem Gröbsten durch? Steht uns eine zweite Welle ins Haus? Egal, es ist höchste Zeit, wieder Worte zu finden. Wird nun alles anders? Nur, wenn man darüber redet. Aber wie? In dem man Fragen stellt – und die dümmsten finden Sie in loser Folge hier.

(Michael Magercord) – Letztes Mal konnten wir sehen, dass am Beginn einer Friedensökonomie, die dem derzeitigen maßlosen Naturverbrauch und übermäßigen Arbeitsaufwand folgen muss, ein jeder für sich schauen kann, worauf man auch mal verzichten könnte. Und am besten jetzt, bevor sich wieder milliardenschwere Wiederaufbauprogramme an der ebenso aussichtslosen wie teuren Illusion abmühen, den vorherigen, unhaltbaren und anstrengenden Zustand erst einmal wieder herzustellen. Also stellen wir uns jetzt, bevor sich der Geldregen über uns ergießt, noch einmal dumm und damit diese dümmliche Frage: Warum scheißt der Teufel immer auf den größten Haufen?
Antwort: Weil es immer so war. Zugegeben, das ist jetzt keine sonderlich tiefschürfende Nach-Corona-Einsicht, und trotzdem steckt in ihr wohl ein Haufen teuflischer Wirklichkeit: Ist die Wirtschaft erst einmal lahmgelegt, darf er wieder hemmungslos scheiß… Pardon, in der feinen Welt der Ökonomie drückt sich der Wirtschaftsweise selbst in der Krise natürlich gewählter aus und sagt: „Allokation und Distribution müssen nun in ein neues Gleichgewicht gebracht werden, um der veränderten Situation Herr zu werden.“ Bevor wir an dieser Stelle nun daran gehen, genau das zu tun und einen komplett verrückten Vorschlag zur gleichgewichtigen Verteilung machen, folgt zunächst eine kurze Einschätzung der teuflischen Lage – allerdings nach ganz und gar eigener Manier.
Im Grunde ist ja ohnehin ein Jeder immer auch sein eigener Ökonom. Und so frage ich mich als Wirtschaftsweiser in der ersten Person Singular, wie ein Einbruch der Wirtschaft von sechs Prozent überhaupt so schlimm sein kann, wenn 94 Prozent noch intakt sind? Wer sich nicht auf eine so kleine Delle einstellt und vorsorgt, hat schlecht gewirtschaftet: Auf fette Jahre folgen immer auch magere, was wohl als eine der ältesten ökonomischen Weisheiten gelten darf – und ihre Quelle ist definitiv nicht des Teufels.
Doch jetzt hat sich der Teufel ins Spiel zurückgemeldet. Wiederaufbauhilfe, Konjunkturpakete: große Hucken wird er hinterlassen, und zwar ganz nach seinem Motto: Wer hat, dem wird gegeben. Große Firmen, große Eigner – der Aktienmarkt war am Verteilungsdienstag im Kanzleramts wie im Rausch! Geld, Geld, Geld – die neun Milliarden für die Lufthansa sind da nur ein lauer Furz des Teufels. Für uns Bundesbürger kostet der aber immerhin 112,50 Euro, für jeden, vom Kleinkind bis zum Greis. Von denen hätte so mancher sein bisschen Geld aber vielleicht lieber in etwas Besseres als Kerosinschleudern und Arbeitsplätze im Hocheinkommensbereich gesteckt, zumal dieses Unternehmen seinen Firmensitz teils auf die Kayman-Insel verlegt hat, getreu dem Großunternehmensmotto: Bloß keine Steuer zahlen, nur kassieren!
„Haltet ein!“ – möchten wir als unsere eigenen Wirtschaftsweisen deshalb den Ökonomen alter Schule und den ihnen hörigen Politikern zurufen. An Geld scheint es ja nicht zu mangeln, nur könnte man damit ja auch ganz was anderes machen. Und weil wir eben alle auch Wirtschaftweise sind, wird am Ende dieser Ausführungen – versprochen – mein verrückter Vorschlag zum Geldausgeben stehen. Und zwar getreu meinem Motto: Ich verstehe zwar nichts von Wirtschaft, aber die Wirtschaft versteht mich ja auch nicht.
Vorher müssen allerdings die Wirtschaftsweisen in dritter Person Plural noch eine kleine Erläuterung über das Wesen des Geldes über sich ergehen lassen, denn: Geld gibt es gar nicht! Geld ist ein abstraktes Konstrukt, dessen Wert vom kollektiven Glaube an ihn abhängt. Im digitalen Zeitalter bewegt es die Welt in Form virtueller Datensätze. Mit dem Geld geht ein Realitätsverlust für seine natürliche und soziale Umwelt einher. Denn dem Geld ist es völlig egal, was es in Bewegung setzt. Die bürgerliche Wirtschaftswissenschaft des freien Marktes sorgt dafür, dass die Morallosigkeit des Geldes zur Moral geworden ist: Geld stinkt nicht. So lässt es sich getrost zu großen Haufen häufeln. Dort „arbeitet“ das Geld, bei seiner Arbeit vermehrt sich das Geld und vergrößert den Haufen, auf dem es sich schon befindet, immer proportional zu seiner jeweiligen Höhe. Und weil es dies durch seine Arbeit erreicht, gilt ganz im ideellen Sinne des Ethos des Fleißes seine Vermehrung als „Leistung“.
Doch nun das: Krise! – Die Börsen runter, Dividenden mager, die Gewinne weg. Diese Lücken gilt es schnell zu schließen! Womit? Mit Geld, jenem nämlich, das man gemeinhin Steuergeld nennt. Den größten Teil daran stellt die Lohnsteuer, gefolgt von der Umsatzsteuer. Die eine zahlt die arbeitende Mittelschicht, die andere alle Konsumenten, wobei gemessen am verfügbaren Einkommen die Unterschicht prozentual am meisten beiträgt.
Doch egal woher: Jetzt ist Verteilen angesagt. Die Frage, ob dies „gerecht“ vor sich gehen kann, schenken wir uns, wenn es ums morallose Geld geht. Es hießt ja landläufig, Arbeit verteile in einer modernen Gesellschaft die erwirtschafteten Gewinne und Güter „gerecht“. Das funktioniert aber gar nicht, wenn Geld ebenfalls arbeitet. Schon deshalb hat dieser Wirtschaftsweiser seiner selbst noch nie verstanden, warum im Kapitalismus so ein Tralala um Arbeitslosigkeit veranstaltet wird, wenn doch arbeitendes Geld genüge vorhanden ist. Und selbst wenn die Quote zehn Prozent betrüge, bedeutet es, dass die Arbeitsmaschinerie noch zu 90 Prozent funktioniert – welche Maschine hat schon so einen hohen Wirkungsgrad? Statt sich darüber zu freuen und das reichlich vorhandene Geld an die zehn Prozent Erwerbslosen ohne Aufhebens zu verteilen, wird eine überbordende Bürokratie zu deren Verwaltung unterhalten.
Doch kaum stockt einmal die Geldgewinnerwirtschaftung, läuft die staatliche Verteilungsmaschine aus Bund und Ländern mit zusammen bisher satten 342.000.000.000 Euro, 4.200 pro Bürger, regelrecht heiß – doch wofür? Große Flugzeuge und dicke Autos sowieso. Und sonst? Welche Maßstäbe gelten für Menschen? Und siehe, da ist er ja wieder, unser Teufel! Hat ja auch was Beruhigendes, in unsicheren Zeiten einen alten Bekannten wiederzutreffen.
Kaufprämien nutzen ja nur denen, die ohnehin genug Geld haben, sich was zu kaufen, während alle anderen sie mitbezahlen. Steuernachlässe jenen, die genug davon zahlen. Und die Hilfen für Freiberufler sind an das zuvor erzielte Einkommen geknüpft: Wer vorher viel hatte, bekommt auch in der Krise mehr, jene, die bescheiden verdienen und leben, wenig oder eben gar nichts. Und das lief ja immer so: Beim Elterngeld ist Kind auch nicht gleich Kind, und bei der Mütterrente geht es sogar so weit, dass der Zusatzbetrag bei den Müttern, die ihn wirklich bräuchten, mit ihrer Hartz-4-Grundrente verrechnet wird und so in ihren Kittelschürzentaschen davon gar nichts ankommt.
Kleiner Seitenhieb – Dass die SPD, die das Verteilungsprinzip der großen Haufen selbst in ihrer „Respektrente“ festgeschrieben hat, sich immer noch wundert, dass sie damit einfach keine Wählerstimmen bekommt, ließ sich wiederum diesen Wirtschaftsweisen seiner selbst schon immer über die Sozialdemokraten wundern…
Geld, noch so eine teuflische Eigenschaft, lenkt unsere Lebensplanungen. Mit Geld lassen sich Bedürfnisse und Wünsche steuern. „Shoppen gehen“, eine seltsam beliebte Freizeitbeschäftigung, ist eigentlich nur ein anderes Wort für den Wunsch, einen Wunsch zu haben. Dieser Wunschwunsch findet seinen Ausdruck in einem eigentlich überflüssigen Objekt. Überflüssige Bedürfnisse zu befriedigen, das ist Wirtschaft. Dafür wird nun das ganze Geld ausgegeben und auf Haufen gehäufelt, getreu dem Motto: Gibt es dafür eine Prämie, will ich plötzlich auch ein Auto. Und das ist es, woran sich zeigt, dass die Wirtschaft von mir nichts versteht: Denn sie unterstellt mir Bedürfnisse, die ich gar nicht habe – und so mancher andere unter uns vielleicht ja auch nicht.
Kleiner Exkurs – Bei Geschäftsverhandlungen ist es übrigens immer ratsam, in einem möglichst großen Auto und teuren Anzug zu erscheinen. Wer zu Fuß oder schlicht gekleidet kommt, dem sieht man schon an, dass er kaum Bedürfnisse hat und man ihn leicht herunterhandeln kann oder ihm gar erst nicht viel bieten muss…
Und so, wie es nun beim Verteilen des Geldes zugeht, wird es auch zugehen, wenn man es irgendwann einmal wieder hereinholt: Es wird da zusammen gesucht, wo es freier herumschwirrt, und nicht dort, wo es bereits kompakt und arbeitend aufgehäuft ist. Eher wird nämlich der Leistungskatalog der Krankenkassen etwas zusammenstreichen, sodass die Betroffenen es erst merken, wenn es zu spät ist, als dort zugelangt, wo die Geldbesitzer den Zugriff sofort bemerken würden.
So wird es kommen, denn so ist die Logik des Geldes. Doch nun folgt mein völlig verrückter Vorschlag für eine andere Lösung, wobei es nur der zweit verrückteste sein wird. Der irrsinnigste Vorschlag hat nämlich leider keine Chance auf Verwirklichung. Denn wäre es nicht irre, man würde alle zwanzig Jahre das System wechseln? Zwanzig Jahre Sozialismus, also der gleichmäßigen Verteilung und Genuss aller Güter und Gelder. Dann folgen zwanzig Jahre Kapitalismus, worin dank der Tatkraft des Einzelnen volle Regalen und Innovationen folgen. Und wieder zurück auf Null mit Sozialismus, und dann wieder…
Ja, schön irre wär’s, aber leider ist der Übergang vom einen zum anderen einfach zu ungemütlich. Beide Systeme bringen Nutznießer hervor, die sich gegen die Rückkehr des anderen wehren. Und eine gewaltvolle Revolution will keiner, da haben alle etwas zu verlieren. Selbst der Kleinsparer, der heute über das Fehlen von Zinseinkünften letztlich die Rechnung bezahlt, ist ins bestehende System durchs Kleinsparen verstrickt – mitgehangen, mitgefangen.
Deshalb also der zweit verrückteste Vorschlag – Jeder Bundesbürger darf jetzt seinen Anteil von fast 5.000 Euro Konjunkturhilfen selbstbestimmt investieren und erwirbt damit Anteile an dem jeweiligen Unternehmen, das dadurch in eine „eingetragene Genossenschaft“ umgewandelt wird. Wohnungsgenossenschaften kennt jeder als die günstigste und fairste aller Wohnimmobilienbesitzformen, Windenergie-Genossenschaften haben einen großen Anteil am Markt – und würden nun etwa alle 70.000 Mitarbeiter der Lufthansa und ihre Familien ihren Anteil in ihr Unternehmen steckten, wären das schon eineinhalb Milliarden. Sicher, da können sich später viele andere, größere Vögel einkaufen, aber Genossenschaften unterliegen klaren Regeln: Jeder Anteil, egal wie hoch er ist, ist gleich viel wert und bestimmt gleich viel mit – oder aber die Mitarbeiter entscheiden selbst, dass Fliegen in Zukunft blöd ist und ihr Unternehmen ohnehin keine Perspektive mehr hat und investieren ihr Geld in einen, sagen wir, Biogemüseanbauer.
Ach, wäre das tolles Werk, zumindest aber nicht des Teufels. Der steckte dabei wohl vor allem im Detail. Aber immerhin: grundsätzlich könnten bei der einstigen VW AG die 144.000 Mitarbeiter der Volkswagen eG auf diese Weise sogar die Kaufprämie ganz alleine aufbringen, ganz ohne Steuergelder – das wäre dann wohl wirklich irre!
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