Coronavirus – die Welt igelt sich ein

Immer mehr Länder sperren ihre Grenzen für alles, was von außen kommt, das soziale Leben kommt zum Stillstand, die Wirtschaft kollabiert. Und was kommt dann?

Sich einigeln ist eine gute Taktik - für Igel. Ob das für Menschen auch so gut ist, werden wir bald sehen. Foto: Hrald, Papa Lima Whiskey / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 3.0

(KL) – Den Anfang in Europa machte Italien, als es sich als komplettes Land zur Schutzzone erklärte und isolierte. Zuvor hatte China bereits über 50 Millionen Menschen in der Provinz Hubei isoliert. Dann kam Österreich und untersagte die Einreise aus Italien (und selbst zur Durchfahrt muss man an der Grenze nachweisen, dass man genug Benzin im Tank hat, um ohne anzuhalten durch das Land durchfahren zu können), dann sperrten die USA, Indien und viele andere Länder ihre Grenzen für Reisende aus Europa (und anderen Risikozonen der Welt), und an vielen, vielen Grenzen wurden wieder Kontrollen eingerichtet. Ist das die Rückkehr zur Kleinstaaterei und zu einem nicht ungefährlichen Nationalismus?

Es wäre DIE Gelegenheit, in Europa auch Europa zu leben. Solidarisch zu sein. Sich gegenseitig zu helfen. Doch stattdessen schotten wir uns untereinander ab. Haben wir den Verstand verloren? Meint irgendjemand, dass man diese Coronavirus-Krise auf nationaler Ebene in den Griff bekommt? Warum schafft es Europa, international operierende Banken zu retten, wenn diese sich in ihrer Profitgier mit hochspekulativen Papieren verzockt haben, während sich Europa gleichzeitig als unfähig erweist, in schweren Krisen solidarisch zu sein? Warum unterstützt die EU nicht Italien in dieser existentiellen Krise, mit Geld, Mit Ressourcen, mit Materialien, mit Manpower? Warum werden keine Pflegekräfte aus anderen Ländern dorthin geschickt, wo man gerade überlegen muss, welchen Patienten man rettet und welchen man sterben lässt?

Die Länder überschlagen sich mit bisher nie gekannten Maßnahmen. Selbst des Mannes liebstes Kind, der Sport, muss überall zurücktreten – ob es die NBA in den USA ist, die den kompletten Spielbetrieb einstellt, die deutsche Eishockeyliga DEL, die gerade die Saison 2019/20 ohne einen Meister beendet hat, weil die Play-Offs abgesagt werden mussten, ob es die zahlreichen Fußball-Ligen sind, die alle Spiele absagen (bis auf den DFB, der offenbar immer noch nicht verstanden hat, dass die Lage durchaus ernst ist und man angesichts einer drohenden sanitären Krise das Argument „wir müssen aber die Saison zu Ende spielen, damit die Vereine Planungssicherheit haben“ getrost vergessen kann), Museen, Kinos, Schulen schließen, teilweise landesweit – das Leben kommt zum Stillstand.

Die wirtschaftlichen Konsequenzen dieser Krise sind noch nicht abzusehen und auch, wenn China gerade erklärt, man habe das Schlimmste überstanden und das Leben würde langsam wieder seinen normalen Gang gehen, so muss man diese Erklärungen mit Vorsicht genießen. Immerhin hat China die Welt wochenlang nach dem Ausbruch des Sars-CoV-2 über die Lage getäuscht und versucht, die beginnende Pandemie unter den Teppich zu kehren und erst vor Wochenfrist wurde bekannt, dass die Regierung Arbeitern hohe Sonderprämien zahlt, damit diese in die Fabriken zurückkehren, um genau diesen angeblichen Aufschwung zu dokumentieren. China hat es noch nicht einmal geschafft, transparent Klarheit darüber zu schaffen, ob der Sars-CoV-2 etwas mit dem P4-Labor in Wuhan zu tun hat – warum sollte man den Chinesen jetzt glauben, dass die Krise wirklich überstanden ist?

Mit „jeder für sich“ wird man die aktuelle Krise nicht überwinden können und die Abschottung gegenüber Nachbarn und Freunden wird die Länder nicht vor dem Virus retten können – denn diese Maßnahmen kommen alle um Wochen zu spät. Grenzschließungen und die Abschottung gegenüber den Nachbarn wäre zu einem Zeitpunkt sinnvoll gewesen, als es noch eine Chance gab, die Ausbreitung des Virus zu stoppen – doch dieser Zeitpunkt ist längst vorbei. Jetzt geht es nur noch darum, richtig mit den Erkrankten umzugehen, einen Überblick darüber zu bekommen, wo wie viele „gesunde“ Träger des Virus unterwegs sind, um die Ausbreitung mit den richtigen Mitteln zu verlangsamen. Und natürlich möglichst viele der Erkrankten zu retten.

Diese Krise birgt auch Chancen. Doch um diese Chancen zu ergreifen, müssten sich alle Verantwortungsträger für einen Wandel ihres Verhaltens entscheiden. Momentan ist in Europa Italien das am schwersten betroffene Land – was hindert die EU daran, den salbungsvollen Worten nun Taten folgen zu lassen? Warum nicht Ärzte und Pflegepersonal aus weniger betroffenen Ländern in die Krisengebiete schicken, mit der klaren Ansage, dass wenn ihr eigenes Land Hilfe braucht, diese auch aus Europa kommen wird?

Wenn das Gröbste vorbei sein wird, werden wir uns zusammensetzen und reden müssen. Diese Krise zeigt viele Problembereiche auf, in denen Europa nicht so funktioniert, wie es funktionieren müsste. Wirtschaft, Gesellschaft, Gesundheitswesen, Gefälle zwischen Arm und Reich, globalisierte Wirtschaft, eine marode Demokratie – all das sind Punkte, die dann auf den Prüfstand gehören. Wenn wir aus dieser Krise nicht lernen, wie wir Europa und die Welt besser organisieren können, dann lernen wir es nie. Und das wäre mindestens genauso schlimm wie die vielen Krankheitsfälle aufgrund des Sars-CoV-2.

Kommentar hinterlassen

E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht.

*



Copyright © Eurojournaliste