Coronavirus: zwischen Beschwichtigung und Panik

Krisensitzungen, von der Außenwelt abgeschnittene Dörfer in Nord-Italien, wieder steigende Infektionszahlen – was soll man am Ende glauben und wie soll man sich schützen?

Hamsterkäufe in Nord-Italien. Wird es auch anderswo zu solchen Szenen kommen? Foto: ScS EJ

(KL) – Angesichts des Covid-19 ist Ruhe die erste Bürgerpflicht und nach wie vor ist es den Behörden verständlicherweise ein Anliegen, Panik in der Bevölkerung zu vermeiden. Nur, die Bevölkerung verfolgt die Nachrichten auf allen Kanälen, liest die Zahlen, sieht die unglaublichen Maßnahmen, die überall dort getroffen werden, wo das Virus sich ausbreitet und niemand weiß mehr, wie man sich angesichts dieses Virus verhalten soll.

Über 80.000 Infektionsfälle, mehr als 2700 Tote und Maßnahmen, wie man sie noch nie gesehen hat. Angesichts dieser Maßnahmen, der Abschottung ganzer Landstriche, der Quarantäne auf Kreuzfahrtschiffen und in Hotels, wo sich das Virus rasend ausbreitet, sind die öffentlichen Beruhigungen, dass jede normale Grippe weitaus gefährlicher sei, nur schwer einzuordnen. Wenn das Covid-19 wirklich so viel weniger gefährlich als eine „normale“ Grippe ist, warum werden dann Maßnahmen ergriffen, die bei keiner „normalen“ Grippe ergriffen werden und von denen ein älterer Dorfbewohner in Nord-Italien sagte, dass man derartiges nicht einmal im II. Weltkrieg gesehen habe?

Nach wie vor weiß man wenig über Covid-19, vor allem die Ausbreitungswege sind unklar. Wieso ausgerechnet in Nord-Italien ein solcher Ausbruch stattfindet, ist unverständlich. Allerdings weiß man inzwischen, dass die Ansteckung sehr aggressiv verläuft, was man unter anderem auf dem Kreuzfahrtschiff „Diamond Princess“ erkennen konnte, auf dem nach der Evakuierung der Infizierten innerhalb weniger Tage fast 20 % der in Quarantäne befindlichen Reisenden ebenfalls infiziert wurden.

Der Hinweis darauf, wie viel gefährlicher andere virale Erkrankungen sind, wirft eben die Frage auf, warum dann nie gekannte Maßnahmen ergriffen werden. Der deutsche Gesundheitsminister Jens Spahn, der nach wie vor offiziell die Gefährdung als „niedrig bis moderat“ einschätzt, schließt Maßnahmen wie in Italien auch nicht mehr aus. Diese können von der Absage von Großveranstaltungen bis zur Abschottung einzelner, betroffener Regionen oder Städte reichen. Maßnahmen, von denen man noch nie bei einer „niedrigen bis moderaten“ Gefährdung gehört hat.

In der Zwischenzeit passiert genau das, was man verhindern will. In Nord-Italien ist die Bevölkerung mehr als alarmiert, die Geschäfte sind leer gekauft, die Menschen bereiten sich auf eine längere Phase der Isolation vor. Auch bei uns wird es zu solchen Szenen kommen, denn die Vorstellung, dass sich der Ausbruch von Covid-19 nur auf einzelne Regionen beschränkt, erscheint illusorisch.

In der Zwischenzeit kann man nur hoffen, dass die Wissenschaftler, die fieberhaft an diesem offenbar mutationsfähigen Virus arbeiten, schnell Lösungen finden. Und ebenso muss man hoffen, dass die Behörden zeitnah und transparent über die wirkliche Lage berichten. Die Einschätzung der Weltgesundheitsorganisation, dass es neben der gemeldeten Anzahl Fälle noch eine „sehr hohe Dunkelziffer“ von Fällen gibt, trägt nicht zur Beruhigung bei. Es wäre vermutlich besser, jetzt präventiv zu arbeiten und die Bevölkerung dabei einzubeziehen, statt so lange zu warten, bis das Virus wieder neue Regionen erreicht. Denn genau dann wird Panik ausbrechen.

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