Damit hatte kaum einer gerechnet…
Die Bilanz des ersten Betriebsjahres der Tramlinie D zwischen Straßburg und Kehl übertrifft alle Erwartungen. Was die einen freut, bekümmert die anderen…
(KL) – Am 2. Mai 2017 wurde die Erweiterung der Straßburger Tramlinie D bis zum Kehler Bahnhof gefeiert. Über 100 000 Menschen feierten damals bei strahlendem Sonnenschein ein Fest, um diesen Brückenschlag würdig zu begehen. Seitdem wird diese Tramlinie sehr stark genutzt – stärker, als man das erwarten konnte. Statt der erwarteten 1,6 Millionen Fahrten registrierte die Verkehrsgesellschaft CTS nicht weniger als 3 Millionen Fahrten im ersten Jahr.
Durch die Tramlinie D haben sich sowohl Kehl als auch Straßburg verändert. Inzwischen wird Kehl immer mehr zur „deutschen Erweiterung“ der Stadt Straßburg und man kann festhalten, dass die Linie D von der Bevölkerung auf beiden Seiten des Rheins voll angenommen wurde.
Dass die Städte Straßburg und Kehl immer enger zusammenwachsen ist gewollt und positiv. Allerdings nicht für alle. So sieht vor allem der Straßburger Einzelhandel die starke Frequentierung der Linie D mit sorgenvoller Miene. Und dabei geht es nicht nur um die Tabakhändler (die von dieser Nähe besonders betroffen sind – da Tabakwaren in Deutschland rund 30 % billiger sind als in Frankreich, kauft kaum noch jemand Tabak und Zigaretten in Straßburg ein…), sondern generell um den Einzelhandel, da sehr viele Dinge auf der deutschen Seite einfach günstiger sind. Der Abfluss der Kaufkraft in Richtung Kehl ist nachvollziehbar, doch langfristig ein Problem, das dazu führen wird, dass zahlreiche Geschäfte in Straßburg schließen werden. Hier wird man noch Lösungen finden müssen, speziell, wenn die Linie D in Kehl noch weitergeführt wird. Und das ist bereits 2018 der Fall.
Das Phänomen „Einkaufen in Kehl“ wird für viele Straßburger noch attraktiver werden, wenn die Tram in der Nähe der großen Discounter hält und das wird bereits im Herbst passieren, wenn die Erweiterung der Linie D bis zum Rathaus Kehl eingeweiht werden wird.
Doch das sind im Grunde nur die „Kinderkrankheiten“, die sich über kurz oder lang einspielen werden. Viel wichtiger ist, dass mit der Tramlinie D ein weiteres Element der deutsch-französischen Integration geschaffen wurde, mit dem beide Länder noch ein Stückchen näher aneinander rücken. In Zeiten, in denen Neonationalismus und Neoregionalismus Hochkonjunktur haben, ist ein solches Symbol mehr als wertvoll.
Europa lebt an den Ufern des Rheins. Und nirgendwo ist Europa lebendiger als am Oberrhein, wo der Humanismus das Licht der Welt erblickte und das institutionelle Europa aus der Taufe gehoben wurde. Dass die Tramlinie D ein solch großer Erfolg ist, gibt all denjenigen Recht, die sich dafür stark gemacht haben!
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