Danke für die Märchenstunde, Herr Orban!

Horst Seehofer wird gut zugehört haben, als der ungarische Regierungschef Viktor Orban mal wieder gegen Flüchtlinge und Angela Merkel vom Leder zog...

Sollte sich Europa die Vorstellungen des "Antidemokraten" Viktor Orban diktieren lassen oder ihm lieber den Stuhl vor die Tür stellen? Foto: Elekes Andor / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 4.0int

(KL) – Der selbst erklärte „Anti-Demokrat“ Viktor Orban ist ungarischer Regierungschef und sieht sich selbst als Nachfahren der Kreuzritter. Folglich betrachtet er es als seine Aufgabe, Europa vor der „Belagerung“ durch Flüchtlinge zu schützen. Inzwischen hat er auch die Ursache für den Flüchtlingsstrom nach Europa ausgemacht – nicht etwa den Krieg in Syrien, der inzwischen bereits eine halbe Million Menschenleben gekostet hat, sondern ein „deutsch-türkischer Geheimpakt“ – und das Schlimmste: Der Mann scheint selber daran zu glauben.

Orbans Weltbild befindet sich in Randbereichen des Pathologischen. So erklärte er es zur obersten Aufgabe der nächsten Zeit, diesen angeblichen deutsch-türkischen Geheimpakt abzuwenden. Denn dieser angebliche „Geheimpakt“ hat es in sich. Nach Orbans Kenntnisstand (na, dann kann dieser geheime Pakt aber so geheim auch nicht sein…) sollen Deutschland und die Türkei überein gekommen sein, eine halbe Million Flüchtlinge aus der Türkei in die EU zu holen und dort zwangsweise auf die EU-Mitgliedsstaaten zu verteilen. Woher Orban seine Informationen haben will, sagte er nicht.

Dabei gäbe es eine ganz einfache Lösung. Ungarn könnte, ebenso wie andere unzufriedene EU-Staaten, einfach dem britischen Beispiel folgen und nach einem Referendum einfach aus der EU austreten. Das sollten alle EU-Mitglieder machen, die sich nicht mehr mit den Zielen und den Werten der Europäischen Union identifizieren können. Dann können ja die Tschechische Republik, Polen, die Slowakei, Ungarn und alle, die ebenso kalt und zynisch denken, gemeinsam einen nationalistischen Staatenbund gründen – und schauen, wie weit sie ohne das Geld aus Brüssel kommen. Interessant wäre es dann auch, die gleiche Grenzpolitik gegenüber den Bürgern aus diesen Ländern anzuwenden, die diese gegenüber Dritten an ihren eigenen Grenzen anwenden.

Da keines der genannten Länder bisher einen auch nur ansatzweise nennenswerten Beitrag zum europäischen Leben geleistet hat, stellt sich die Sinnfrage ohnehin. Warum sollten die „Kernländer“ Europas weiterhin zusehen, wie diese Staaten ungefähr auf allen Werten herumtrampeln, für die Europa seit dem II. Weltkrieg gekämpft hat? Es kann nicht Aufgabe der „Kernländer“ Europas sein, ihre Werte auf das Niveau dieser osteuropäischen Staaten herab zu senken, sondern es ist an diesen Ländern, entweder die Werte der Union zu akzeptieren und umzusetzen, oder die Union zu verlassen. Und künftig dann eben ohne die Milliarden aus Brüssel klar zu kommen.

Viktor Orban will dafür sorgen, „dass nie wieder ein Flüchtling ungarischen Boden betritt“ und dafür will er Grenzanlagen hochziehen, Zäune bauen, Wälle aufwerfen – die DDR lässt grüßen. Das Europa der Ungarn, der Tschechen, der Slowaken und der Polen ist nicht das Europa der anderen EU-Mitgliedsstaaten. Insofern hat es etwas mit Selbstschutz zu tun, wenn man jetzt diese Länder vor die Gretchenfrage stellt – mit Europa oder ohne Europa? Es kann nicht sein, dass wir in Seelenruhe zuschauen, wie diese Länder das Konzept Europa an die Wand fahren. Wenn diese vier keine Lust haben, mit leidenden Menschen solidarisch zu sein, haben sie selbst jeden Anspruch auf unsere Solidarität verwirkt. Und das sollte man ihnen schleunigst klarmachen. Und vielleicht auch, dass es keinen „deutsch-türkischen Geheimpakt“ gibt – wenn man das nicht deutlich macht, dürfte man Horst Seehofer nächste Woche über nichts anderen sprechen hören.

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