Dann eben nicht in die Türkei…

Der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) warnt türkeikritische Journalisten vor Reisen in die Türkei. Selbst private Reisen sollte man vermeiden, falls man sich kritisch über Erdogan geäußert hat.

Journalisten, die kritisch über Erdogan oder die AKP berichtet haben, sollen nicht mehr in die Türkei reisen. Foto: T88288 / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 4.0int

(KL) – Für alle Journalisten, die nicht bedingungslose Anhänger des türkischen Präsidenten Tayyip Recep Erdogan sind, gilt ab sofort eine Reisewarnung des Deutschen Journalisten-Verbands für die Türkei. Anlass für diese Warnung war die erneute Verhaftung einer deutschen Bundestagsabgeordneten, Gökay Akbulut (Die Linke), die bei ihrer Einreise in die Türkei willkürlich mehrere Stunden lang festgehalten wurde. Geschützt hat sie am Ende ihr Status als Bundestagsabgeordnete, und das ist ein Schutz, auf den sich Journalisten nicht berufen können.

Für Frank Überall, den Chef des Deutschen Journalistenverbands (DJV), wird das Risiko für Journalisten in der Türkei unkalkulierbar. So sagte der DJV-Chef: „Wer sich als Journalist schon einmal kritisch in den eigenen Beträgen und in den sozialen Netzwerken über die Türkei, ihren Präsidenten oder die Regierungspartei AKP geäußert hat, sollte sich von dem Land fernhalten.“ Und das dürfte für so ziemlich jeden Journalisten gelten, der seit 2015 über die Türkei berichtet hat. Weiter sagte Frank Überall: „Wenn selbst die parlamentarische Immunität einer Abgeordneten nicht vor einer Festnahme schützt, ist die Gefahr für Journalistinnen und Journalisten umso größer.“

Wer immer dem Erdogan-Regime nicht passt, kann im Handumdrehen Anzeigen für Dinge wie „Propaganda für den Terrorismus“ oder „Unterstützung einer terroristischen Vereinigung“ einfangen. Dazu reicht es, beispielsweise ein Interview mit einem Vertreter einer kurdischen Partei zu führen. Oder daheim einen kritischen Artikel über Erdogan geschrieben zu haben. Wer dann in die Mühlen der Erdogan-hörigen Justiz fällt, dem können üble Dinge widerfahren.

Diese Reisewarnung ist ein Zeichen der Zeit. Immerhin ist die Türkei Mitglied zahlreicher westlicher Institutionen, wie beispielsweise der NATO, und dass Journalisten in einem solchen Land nicht mehr normal arbeiten können, ist bemerkenswert. Allerdings ist das nicht ganz neu – nach dem großen Erdbeben im türkisch-syrischen Grenzgebiet verweigerte Ankara unserem Fotografen František Zvardon eine Arbeitserlaubnis im Krisengebiet, wobei natürlich keinerlei Gründe für dieses Arbeitsverbot angegeben wurden.

Während die europäische Politik vom „Schutz der Journalisten“ schwafelt, wird in vielen Ländern die Berichterstattung erschwert, beispielsweise in Frankreich, wo es mittlerweile unter Umständen unter Strafe steht, Bilder von prügelnden Polizisten zu veröffentlichen. Dazu sitzt mit Julian Assange ein Publizist in einem britischen Gefängnis, wobei sein „Verbrechen“ darin bestand, die Welt über Kriegsverbrechen der US Army zu informieren. Die Kriegsverbrecher sind bis heute unbehelligt geblieben, der Publizist ist seit 13 Jahren seiner Freiheit beraubt und unsere großartigen europäischen Institutionen und nationalen Regierungen haben es in diesen 13 Jahren nicht für nötig gehalten, sich für die Freilassung Assanges einzusetzen.

Man darf gespannt sein, in welchen Ländern die Arbeit als Journalist als nächstes erschwert wird. In einer Phase, in der schrittweise die Demokratie durch den digitalen Totalitarismus ersetzt wird, ist die Abschaffung der Pressefreiheit wohl der nächste Schritt. Dagegen sollte man sich wehren, denn das ist nur der Auftakt zu noch viel schlimmeren Dingen. Doch offenbar weigert sich irgendetwas im Menschen, aus den Fehlern der Geschichte zu lernen. Also werden wir die gleichen Fehler immer und immer wieder machen. Allerdings werden wir nicht den Fehler machen, zum Arbeiten oder Urlauben in die Türkei zu fahren. Das kann man erst dann wieder planen, wenn eines Tages Erdogan nicht mehr an der Macht ist. Bis dahin ist die Türkei ein No-Go-Land.

Kommentar hinterlassen

E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht.

*



Copyright © Eurojournaliste