Das 32. MUSICA-Festival geht zu Ende

Einmal und nie wieder – immer wieder

Beim Festival MUSICA gab es seltsame Klänge und Tonsetzer, aber irgendwie war es dann doch schön. Foto: www.festivalmusica.org

(Von Michael Magercord) – Schon mal Neue Musik gehört? Nein, nicht die neuen Hits, das kann jeder im Radio, sondern klassische Neue Musik, die, die so mancher gar nicht mehr als Musik wahrnehmen kann. Na, klingelst? Genau, klingeln muss es nämlich, kling klong, und nach Möglichkeit atonal, also die ganze Tonleiter rauf und runter ganz ohne Tonart. Und dabei immer feste druff auf die Instrumente, mit dem Geigenbogen kratzen statt streichen und das Klavier als Schlaginstrument prügeln, dass es beim bloßen Zuschauen wehtut. Oder gleich gar keine Instrumente mehr: der elektronische Algorithmus ist der Rhythmus, bei man mit muss!

Uuh, das ist Neue Musik? Kaum zu glauben, dass da jemand zuhört oder gar zu einem Konzert geht. Aber doch! Voll waren die Säle in Straßburger MUSICA-Festival selbst beim zweiunddreißigsten Mal, obwohl doch jeder mittlerweile wissen sollte, wie es da zugeht: Lauter langhaarige Komponisten mit grauen Strähnen; ein Publikum, das sich einbildet, beim Hören von verqueren Tönchen das Abendland zu retten; und Kritiker, die sich gewichtig Notizen machen. Und zumindest bei der Auftaktveranstaltung nicken dazu so manche Lokalpolitiker so gekonnt kennerhaft, wie sie auf Volksfesten schunkeln würden.

Aber dazu ist so eine Auftaktveranstaltung auch da. Denn wer bitte schön, wenn nicht der großzügige Vater Staat bezahlt die ganze Chose? Subventionen nennt man das, und die kriegen nicht nur Halter von Milchkühen, nein, auch langhaarige Kulturschaffende können melken, so sehr, dass man sich fragt, was aus denen wohl geworden wären, wenn es das Staatsziel einer schützenswerten und förderungswürdigen Hochkultur nicht gäbe?

Na gut, auch Johann-Sebastian Bach hatte lange Haare und Wolfgang Amadeus Mozart war verrückt. Und auch sie hatten Sponsoren. Die aber waren meist adelig, hatten ein Schloß und viel zuviel Geld, das ihnen andere erarbeitet hatten. Heute hingegen entscheiden Gremien über die Verteilung von Wohltaten aus bereitgestellten Fördertöpfen. Oder hochkarätig aus dem eigenen Millieu besetzte Jurys über Preisgelder aus Stiftungen. Ohne ihre Gaben käme kein Festival über eine Auftaktveranstaltung hinaus, so aber konnte man in Straßburg die letzten zwei Wochen jeden Tag gleich bei mehreren Aufführungen staunen, was alles so in den einsamen Studierzimmern auf Notenblätter gebannt wird und dann tatsächlich das Scheinwerferlicht von Konzertbühnen erblickt.

Aber bitte, jetzt nur keinen Neid auf die Komponisten. Der wäre ziemlich fehl am Platz, denn die Ärmsten: Ihre Stücke werden meist nur dieses einzige Mal aufgeführt. Doch was für ein Erlebnis: „création mondiale“ – bei der Welturaufführung ist die komplette Welthaftigkeit eines Werkes zu erleben. Eifrige Musiker mussten zunächst die Partituren entziffern und dann die oft doch so schwergängigen Läufe einüben – alles für dieses eine Mal in diesem einen Konzertsaal. Und ich war dabei – wenn das nicht pure Magie ist!

In den heutigen Zeiten, wo das Internet dafür sorgt, dass nichts unbeachtet bleibt, nichts vergessen bleibt und doch alles immer gleicher wird, da gibt es eine Kunst, die nur einmal ist und nie wieder – wenn das nicht förderungswürdig ist, was denn dann? Die ewige Wiederholung? Und wer nicht genug vom ewig Neuen kriegen kann, fährt von Straßburg gleich weiter nach Donaueschingen. Da heißt es dann ab 17. Oktober: Einmal und nie wieder.

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