Das Ablenkungsmanöver

Premierminister Jean Castex hat bei seinem Besuch im Elsass die Büchse der Pandora geöffnet, als er Verständnis für die elsässischen Autonomisten äußerte. Jetzt brennt es wieder.

Premierminister Castex hat den Start der neuen CEA stark belastet... Foto: Eurojournalist(e) / CC-BY-SA 4.0int

(KL) – War es mitten in den aktuellen Krisen wirklich nötig, dass Premierminister Jean Castex erneut im Wespennest „Region Elsass / Region Grand Est“ stocherte? Oder war es Absicht, wissend, welche emotionalen Wellen dieses Thema im Elsass lostritt? Bei seiner Rede vor dem Rat der CEA in Colmar sagte Castex, dass er die Elsässer verstehe und dass deren Proteste gegen die 2016 erfolgte „Eingemeindung“ des Elsass in die Region Grand Est „legitim“ seien. Und schon gehen scharfe Diskussionen los und drohen, die Gebietskulisse erneut mit Ärger zu überziehen.

Die Positionen im Elsass sind klar: Der Präsident der CEA würde gerne das Elsass aus dem Kunstkonstrukt „Grand Est“ wieder herauslösen und die CEA wieder zur „Region Elsass“ machen. Das wiederum will der Präsident der Region Grand Est, Jean Rottner, nicht. Als Mitglied der Regierung kann auch Brigitte Klinkert, die elsässische Ministerin, nicht für eine Auflösung der Region Est sein und was den Premierminister geritten hat, dieses Thema wieder aufs Parkett zu bringen, das versteht momentan niemand so genau. Soll das wirklich eine Ablenkung von der Covid-Krise sein?

Dabei waren die Ankündigungen von Castex mehr als schwammig. Bis auf die Ankündigung eines Arbeitsplatz-Programms durch die Präfektur kündigte er eigentlich gar nichts Neues an. Dafür aber hat er das Elsass in heller Aufregung hinterlassen. Denn plötzlich sind alle Träume von einer Region Elsass wieder aktuell und wenn man bedenkt, dass Umfragen gezeigt haben, dass rund 80 % der elsässischen Bevölkerung diese Region Grand Est gerne wieder verlassen würden, dann hat man schon das Gefühl, als habe Castex vom Versagen der Regierung in der Coronakrise ablenken wollen.

Und die Elsässer und Elsässerinnen stürzen sich begeistert auf dieses Diskussions-Häppchen, das ihnen der Regierungschef vorgeworfen hat. Reflexartig beten nun wieder alle Autonomisten (die sehr unterschiedliche Strömungen darstellen, von Monarchisten über Rechtsextreme bis hin zu durchaus vernünftigen Verfechtern regionaler Realitäten) ihre üblichen Sprüche herunter, mit denen sie vor Jahren überhaupt erst dafür gesorgt hatten, dass Paris es vorzog, dem Elsass noch zwei weitere Regionen (Lothringen und Champagne-Ardennes) als „Aufpasser“ zur Seite zu stellen. Solange die Elsässer über ihren Nabel diskutieren, kümmern sie sich wenigstens nicht um andere Themen…

Jean Castex hat absolut verantwortungslos gehandelt, indem er ein Thema aufwärmte, ohne dass dies erforderlich war. Statt einen Konflikt zwischen der Region, der CEA und den ehemaligen Departements heraufzubeschwören, hätte er besser geschwiegen. Zumal die Rolle des Zentralstaats dabei auch gleich wieder in Frage gestellt wird.

Als ob es momentan nicht schon genug Probleme gäbe – jetzt haben wir die Frage der administrativen Organisation des Elsass und von ganz Ostfrankreich wieder auf der politischen Agenda. Bringen wird das nichts, wir haben nur zu allem anderen Ärger ein wenig zusätzlichen Ärger, der noch dazu die Startphase der neuen CEA massiv belastet. Dankeschön, Herr Castex. Und das nächste Mal fahren Sie doch bitte lieber woanders hin. Denn den Ärger, den Sie völlig unnötigerweise aus Paris mitgebracht haben, den braucht hier kein Mensch.

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