Das bedingungslose Grundeinkommen ist keine linke Schnapsidee

Für 3 Jahre erhalten 122 Menschen ein bedingungsloses Grundeinkommen von 1.200 € im Monat. Das Experiment wird wissenschaftlich begleitet und wird interessante Antworten auf viele Fragen liefern.

Das bedingungslose Grundeinkommen wird seit Jahren von vielen gefordert... Foto: BukTom Bloch / Wikimedia Commons / CC-BY 2.0

(KL) – Es ist soweit. 122 glückliche Menschen wurden aus Millionen Bewerbern ausgelost, um am Experiment „bedingungsloses Grundeinkommen“ teilzunehmen. Drei Jahre lang erhalten diese Personen monatlich 1.200 € und die Wissenschaftler des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) und des Max-Planck-Instituts werden in dieser Zeit versuchen, Antworten auf die vielen Fragen und Vorurteile zu finden, die mit diesem Thema verbunden sind. Der Grundtenor des Experiments ist einfach – man will Armut nicht länger nur verwalten, sondern effizient bekämpfen. Denn die Verwaltung von Armut kostet enorm viel Geld und ändert nichts an den Problemen, mit denen die Betroffenen zu kämpfen haben.

Es gibt sehr viele Aspekte rund um das Thema des bedingungslosen Grundeinkommens. Der erste Aspekt ist der potentielle Sozialneid in einem Land, in dem Billiglöhne und 1-Euro-Jobs ein echtes Problem darstellen. Es gibt Menschen in Deutschland, die rund um die Uhr arbeiten und trotzdem weniger verdienen als dieses bedingungslose Grundeinkommen von 1.200 €. Diesen Menschen wird man Antworten liefern müssen, denn wenn in den Köpfen der Menschen die Gleichung entsteht „ich-könnte-genauso-viel-Geld-haben-wenn-ich-nicht-arbeite“, dann ist das Experiment bereits gefährdet.

Zweiter Aspekt: Das alte Vorurteil, dass ein bedingungsloses Grundeinkommen der Faulheit Vorschub leistet und die Empfänger nicht motiviert, sich nach einer Arbeit umzuschauen. Erste Erfahrungen mit diesem Konzept in anderen Ländern, beispielsweise in Finnland, haben gezeigt, dass dies keineswegs auf alle Empfänger dieses bedingungslosen Grundeinkommens zutrifft. Gewiss, es gibt den einen oder anderen Zeitgenossen, dem das Thema Arbeit einfach nicht schmeckt, doch daran ändert weder HartzIV, noch ein Grundeinkommen und auch keine „Straf-Massnahme“ etwas. Doch für die meisten Empfänger dieses Grundeinkommens war der Effekt ein ganz anderer. Statt mit unzureichenden Sozialhilfen ein Dasein als „Bettler+“ zu fristen, konnten die Empfänger mit der Zeit wieder ein neues Selbstbewusstsein und neue Perspektiven aufbauen, die dazu führten, dass diese Personen relativ schnell mit einer ganz neuen Energie an den Neuaufbau ihres Lebens gingen.

Das Projekt stellt in der Tat ein Umdenken dar. Armut zu verwalten ist eine sehr kostspielige Angelegenheit, die viel Personal, Struktur und Verwaltung erfordert. Diese könnte grösstenteils wegfallen, wenn das bedingungslose Grundeinkommen wegfällt. Und dann hat dieses Experiment auch viel mit dem Thema „Menschwürde“ zu tun, die immerhin ganz vorne im Grundgesetz steht: „Die Würde des Menschen ist unantastbar“. Wird dieser Grundsatz wirklich respektiert, wenn ein Arbeitsloser mit verschiedenen Problemen seine Grundsicherung gestrichen sieht, weil er einen Termin verpasst hat oder vergisst, 50 € anzugeben, die ihm die Oma zu Weihnachten geschickt hat?

Das aktuelle Sicherungssystem ermöglicht vielen Menschen in Not, ein Dach über dem Kopf zu haben und sich mehr schlecht als recht zu ernähren. Gleichzeitig zementiert es die Armut der Betroffenen und ist so angelegt, dass es praktisch keinen Weg aus der Armutsfalle heraus gibt. All das ist teurer und menschenverachtender als ein bedingungsloses Grundeinkommen.

Und nein, das Konzept des bedingungslosen Grundeinkommens ist nicht etwa eine „linke Schnapsidee“, sondern wird seit Jahren von vielen Wirtschaftstheoretikern und auch Unternehmern gefordert. Gerade in einer Zeit, in der Arbeit durch die Technologisierung der Gesellschaft weniger und spezialisierter wird, müssen wir unsere alten Konzepte überdenken. Wenn Millionen Menschen arbeitslos sind, macht es wenig Sinn, diese zu stigmatisieren und mit Stammtisch-Parolen wie „wer arbeiten will, der findet auch einen Job“ zu argumentieren.

Drei Jahre lang wird dieses Experiment nun laufen und dank der wissenschaftlichen Begleitung werden wir hinterher über belastbares Datenmaterial verfügen. Vielleicht ist dies der Auftakt zu einer grundlegenden gesellschaftlichen Veränderung, die am Ende allen nützt. Und – dieses Experiment hat den enormen Vorteil, die Diskussion aus der theoretischen Ecke in die Praxis zu bringen. Es wird sich lohnen, dieses Experiment aufmerksam zu verfolgen!

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