Das echte Rheingold

Dichter und Komponisten haben das Rheinland und seine Schätze besungen, doch der größte Schatz des Rheinlands sind seine Menschen. Die haben schon lange verstanden, dass Grenzen wenig Sinn machen.

Fürchtet die Polizei radikale Umtriebe bei den Samstags-Demonstranten oder hätten die Beamten am liebsten mit demonstriert? Foto: Peter Cleiss

(KL) – Am gestrigen Samstag haben erneut Menschen auf beiden Ufern des Rheins in Höhe der Rheinbrücken für ein gemeinsames Ziel demonstriert – die sofortige Öffnung der Grenze zwischen beiden Ländern. Neben den Organisatoren wie Peter Cleiss waren dieses Mal auch die JEF (Junge Europäische Föderalisten) mit Regenschirmen und Europafahnen dabei. Denn darum geht es – dass der europäische und der deutsch-französische Gedanke nicht an dieser Grenze ausgetrocknet wird.

Den Reichtum unserer wunderschönen Region am Oberrhein machen die Menschen aus. Das hatte nicht zuletzt der große Autor Carl Zuckmayer erkannt, dessen Monolog des General Harras in „Des Teufels General“ ein Klassiker ist – für unsere französischen Leser*innen nachzulesen unter diesem Link! Kurz gesagt, laut Zuckmayer haben sich am Oberrhein seit Jahrtausenden die Wege der Besten gekreuzt, der Neugierigen, der Mutigen, derjenigen, denen „der andere“ keine Angst macht, sondern die „den anderen“ als eine Bereicherung empfinden.

Recht hat er, der Carl Zuckmayer. Und auch gestern trafen sich, wie (leider) jeden Samstag, die Besten wieder auf den beiden Rheinufern, in Kehl und in Straßburg. Wieder winkten sie sich einen Gruß mit Regenschirmen und Europafahnen zu, um der gemeinsamen Forderung nach einer sofortigen Grenzöffnung Nachdruck zu verleihen. Denn alles, was uns momentan als „Erleichterung“ dieser geschlossenen Grenze verkauft wird, ist nicht mehr als politische Kommunikation. Dass ab Dienstag die Tramlinie D wieder bis zur Haltestelle „Kehl Bahnhof“ fährt, ist zwar nett, ändert aber nichts daran, dass man nicht mitfahren darf, wenn man kein Berufspendler ist oder einen „triftigen Grund“ nachweisen kann. Normalsterbliche dürfen der Tram hinterher schauen, einsteigen sollte man aber besser nicht, denn das ist verboten.

Diejenigen, die bei Wind und Wetter (beides gab’s am Samstag reichlich…) auf den Ufern des Rheins stehen und ihren Nachbarn ihre Solidarität entgegen winken, sind nach der Zuckmayer’schen Definition „die Besten“ – denn sie engagieren sich dafür, was uns allen lieb und teuer sein sollte: die deutsch-französische Freundschaft und der europäische Gedanke.

Was allerdings die Polizei bei dieser Demonstration zu suchen hatte, bleibt dem Beobachter verschlossen. Die Demonstranten, anders als bei den unsäglichen „Hygiene-Demonstrationen“, halten die Sicherheitsabstände ein und verhalten sich so, wie man sich momentan verhalten muss – sicher. Dass von diesen Demonstranten eine wie auch immer geartete Gefahr ausgehen könnte, zeigt einmal mehr, dass die Bundespolizei nichts davon versteht, was diese Grenze momentan für die Bürger*innen der Region anrichtet. Was dann auch zum Teil erklärt, warum in den letzten Wochen viele wachhabende Beamte Entscheidungen getroffen haben, die auf beiden Seiten des Rheins Traumata ausgelöst haben. Doch um das zu verstehen, muss man schon aus der Region am Oberrhein kommen.

Getragen werden diese samstäglichen Demonstrationen von immer mehr Vereinen, Initiativen, Einzelbürger*innen. Neben den Jungen Europäischen Förderlisten rief auch der Verein „Garten//Jardin“ zum Demonstrieren auf, und natürlich wurde das Ganze wieder von Peter Cleiss und seinen Freunden organisiert.

Wer am Samstag am Rheinufer unterwegs war, egal auf welcher Seite, der darf sich glücklich schätzen. Denn das, was dort auf den Fahnen und den Regenschirmen glitzerte, das waren nicht etwa Regentropfen, sondern das Rheingold. Das echte. Was für ein Glück, dass es Menschen in der Region gibt, die sich mit Herzblut dafür einsetzen, dass sich die Beziehungen zwischen Deutschland und Frankreich schnell wieder normalisieren. Eine Aufgabe, die man sicher nicht alleine den Politikern überlassen darf…

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