Das Ende der Präsidentschafts-Träume von Marine Le Pen?
Beim Pariser Prozess gegen Marine Le Pen und 25 Mitangeklagte wegen der Veruntreuung von EU-Geldern hat die Staatsanwaltschaft drastische Strafen gefordert.
(KL) – Dieser Prozess hat es in sich. Marine Le Pen, die Chefin des rechtsextremen Rassemblement-ex-Front National und 25 weitere Personen sind angeklagt, da die Partei Mitarbeiter im EU-Parlament als „parlamentarische Assistenten“ geführt hatte, während viele dieser Angeklagten tatsächlich teilweise oder überwiegend für die Partei und gar nicht für das Europäische Parlament arbeiteten, was verboten ist. Was nun die Staatsanwaltschaft an Strafen gefordert hat, könnte dazu führen, wenn das Gericht den Anträgen folgt, dass sich Marine Le Pen nicht bei den nächsten Präsidentschaftswahlen als Kandidatin präsentieren kann.
Da Marine Le Pen als Drahtzieherin dieses „Systems“ gilt, fordert die Staatsanwaltschaft deftige Strafen. Entzug des passiven Wahlrechts für fünf Jahre, zwei Jahre Gefängnis (die allerdings so angepasst werden können, dass Marine Le Pen dann doch nicht ins Gefängnis muss) und 300.000 € Strafe für die Parteichefin, sowie eine Strafe von 4,3 Millionen € für die Partei. Dazu, und das ist bemerkenswert, fordert die Staatsanwaltschaft, dass der Entzug des passiven Wahlrechts sofort in Kraft treten soll, also nicht erst nach der sich ankündigenden Justizschlacht mit Einsprüchen, Revisionen und so weiter. Das würde bedeuten, sollte das Gericht den Anträgen folgen, dass sich Marine Le Pen und ihre Mitangeklagten ab sofort nicht mehr bei Wahlen präsentieren könnte, gleich, auf welchem Niveau. Ein herber Rückschlag für die Rechtsextremen, die seit geraumer Zeit versuchen, sich als „ganz normale Partei“ zu präsentieren, ohne dabei jemals die DNA des Front National hinter sich gelassen zu haben.
Dementsprechend fielen auch die Reaktionen von Rechtsaußen aus – Marine Le Pen beklagte sich bitterlich, dass die Justiz versuche, die Franzosen daran zu hindern für diejenigen zu stimmen, die sie wählen wollen. Zwar wird es noch einige Monate dauern, bis das Gericht sein Urteil verkündet und gegen das werden entweder die Angeklagten oder die Staatsanwaltschaft Revision beantragen, je nachdem, wie das Urteil ausfällt, doch übersieht Le Pen, dass sie wegen eines nachgewiesenen Vergehens angeklagt ist und dass es sich nicht etwa um einen „politischen Prozess“ handelt.
Dass sich Marine Le Pen vor den Kameras lauthals über die „Gewalttätigkeit der überzogenen Strafanträge“ beschwerte, war zu erwarten, wobei sie der Hoffnung Ausdruck gab, dass das Gericht diesen Anträgen nicht folgt. Für Le Pen geht es in dem Prozess darum, sie auf dem politischen Leben auszuschließen, wie sie behauptet. Und dafür zu sorgen, dass sie nicht ein weiteres Mal für das höchste Staatsamt kandidieren kann. Dazu sagte Staatsanwalt Nicolas Barret, dass es im Gerichtssaal darum ginge, gleiches Recht für alle anzuwenden und dass die Justiz keine Rücksicht auf die politischen Ambitionen der Angeklagten nehmen könne.
Doch wie so häufig haben solche Verfahren zwei Seiten. Das „System Le Pen“ ist seit langem bekannt, es ist illegal und hat auch schon zu einer Verurteilung zu einer Geldstrafe auf europäischer Ebene geführt. Es geht also nicht um die Frage, ob die Vorwürfe stimmen, denn diese sind längst bewiesen. Nun geht es nur um die Strafe, und dass dem illegalen Treiben der Rechtsextremen ein Riegel vorgeschoben wird, ist natürlich richtig. Doch gleichzeitig spielt das Verfahren auch wieder in die Karten der Rechtsextremen, die sich seit vielen Jahren als „Opfer“ aufführen und mit diesem Narrativ eher Stimmen gewinnen als verlieren können.
Dabei hat Marine Le Pen noch Glück, dass eine eventuelle zweijährige Gefängnisstrafe so gestaltet werden könnte, das sie eben nicht ins Gefängnis muss, was einmal mehr zeigt, dass die Justiz auf einem Auge blind ist. Dass selbst verurteilte Politiker praktisch nie im Gefängnis landen, verstärkt natürlich das Gefühl von „ihr da oben, wie hier unten“.
Wenn man dieses Verfahren entfernt mit den Versuchen der deutschen Politik vergleicht, das „Problem AfD“ durch ein Verbot zu lösen, dann muss man festhalten, dass das nicht funktionieren wird. Auch das Rassemblement-ex-Front National verfügt über ausreichend Personal, um neue Kandidaten aufstellen zu können, die dann weiter davon reden können, dass die Justiz versucht, in die Politik einzugreifen. Und dass man mit solchen einfach gestrickten Slogans Wahlen gewinnen kann, haben wir erst vor wenigen Tagen in den USA gesehen. Doch nun muss man erst einmal das Urteil abwarten und ob das Gericht dem Antrag folgt, das Erlöschen des passiven Wahlrechts der Angeklagten mit sofortiger Wirkung anzuordnen. So oder so wird dieses Verfahren das politische Frankreich noch eine ganze Weile beschäftigen.
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