Das „Europa der Finanzen“ ist in seine eigene Falle gestolpert

Die Eskalation der Lage in Griechenland ist das Ergebnis von fünf Jahren des politischen und wirtschaftlichen Versagens. Aller in diesen fünf Jahren Beteiligten.

60 € pro Tag können die Griechen noch am Geldautomaten abheben. Doch viele Automaten sind längst leer. Foto: Cogiati / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 3.0

(KL) – In Griechenland sind die Banken bis zum 6. Juli geschlossen, den Tag nach dem Referendum, mit dem Alexis Tsipras das griechische Volk über die Maßnahmen abstimmen lassen will, die Griechenland von Eurogruppe, IWF und EZB diktiert wurden und die öffentlich irreführend als „Verhandlungsergebnis“ bezeichnet wurden. Zwar sieht es so aus, als ob inzwischen der Gegenstand dieses Referendums weggefallen ist, da die „Geldgeber“ ihre „Angebote“ einstweilen zurückgenommen haben, da man es in Europa als Affront betrachtet, wenn den Bürgerinnen und Bürgern ein Mitspracherecht bei zentral wichtigen Fragen eingeräumt wird, doch kristallisiert sich immer mehr heraus, wo die eigentlichen Probleme liegen. Bei genauer Betrachtung kann man nur zu dem Schluss kommen, dass nicht die Syriza und Alexis Tsipras die Situation an die Wand gefahren haben, sondern die europäischen Finanzinstitutionen und die konservativen Vorgängerregierungen in Griechenland, die sich nun wieder flugs als „Alternative“ anbieten.

Die Griechenlandkrise dauert nun schon seit 2010 an und bei nüchterner Betrachtung stellt man fest, dass EZB, IWF und die EU mit ihren schlecht organisierten und wenig durchdachten Spardiktaten so ziemlich alles falsch gemacht haben, was man falsch machen kann – einzig und allein, um den Banken, die in Griechenland spekuliert hatten, Verluste zu vermeiden. Dass die seit fünf Jahren verordneten Sparmaßnahmen nicht der Königsweg sind, sondern en passant der griechischen Wirtschaft und den griechischen Sozialsystemen den Todesstoß versetzt haben, weigert man sich in Brüssel einzusehen. Was dann auch erklärt, warum man weiterhin versucht, mit nackter Erpressung genau die gleichen, seit fünf Jahren erfolglosen Konzepte, als „Lösungen“ zu präsentieren. Und die Daumenschrauben noch enger anzuziehen.

Rentenkürzungen, Mehrwertsteuererhöhungen in den letzten Bereichen, in denen Griechenland noch ein wenig Geld verdienen könnte und die Vorgabe von unrealistischen Wachstumszielen, nachdem man die Wirtschaft so beschädigt hat, dass diese gar kein Wachstum mehr erzielen kann – das sind inzwischen nur noch die Hirngespinste verbitterter alter Männer und Frauen wie Wolfgang Schäuble und Christine Lagarde oder machtgeiler Politiker aus der zweiten Reihe wie Jeroen Dijsselbloem, die meinen, ihre große Stunde habe geschlagen. Mit den Realitäten in Griechenland hat das nichts mehr zu tun.

Dass das politische Europa Kopf steht, weil es eine Regierung wagt, seine Bevölkerung demokratisch über seine Zukunft entscheiden zu lassen, spricht Bände. Und zeigt deutlich, wie es um das Demokratieverständnis der europäischen Politik bestellt ist. Dass in einem demokratischen System das Volk der oberste Souverän sein sollte, scheint diesen Erfüllungsgehilfen der Großfinanz mittlerweile völlig entfallen zu sein.

In Griechenland ist nicht Alexis Tsipras der Verantwortliche für die Misere, sondern sein Vorgänger Antonios Samaras, der sich im Moment auch schon wieder als potentieller Nachfolger anbietet. Er hat zu verantworten, dass die Spirale „neue Kredite im Tausch gegen die Wirtschaft und die Sozialsysteme ruinierende Sparauflagen“ von 2010 bis 2014 das Land in den Ruin treiben konnte. Er hat den Scherbenhaufen zusammen mit seinen Freunden in Brüssel angerichtet, die Syriza und Alexis Tsipras haben den verzweifelten Versuch unternommen, dieses Chaos aufzuräumen und sind dabei offenbar gescheitert. Die Syriza für diese Katastrophe verantwortlich zu machen, ist so, wie wenn man einen Fußballtrainer dafür verantwortlich macht, dass die von seinen Vorgängern verpflichteten Kicker erfolglos spielen.

Die „Märkte“, diese sensiblen, gesichts- und namenlosen Geschöpfe, die über Wohl und Wehe der Menschen entscheiden, sind am Montag zusammengezuckt. Und haben dabei gleich Chaos an den Börsen ausgelöst. Die Armen! Doch keine Sorge, wenn die Zocker verschnupft sind, dann können sie sich darauf verlassen, dass Brüssel heranrollen und ihnen ein Taschentuch reichen wird. Das „Finanzeuropa“ hat versagt und ist am Ende. Die Syriza ist dabei nur der Überbringer der schlechten Nachricht. Vielleicht sollte man den Überbringer der schlechten Nachricht nicht gleich umbringen.

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