Das Geschenk von Onkel Jean

Als Antwort auf die explodierenden Benzinpreise verkündete gestern Frankreichs Premierminister Jean Castex die gute Nachricht. Es gibt für viele ein Geschenk. 100 Euro.

Onkel Jean hat für (fast) jeden ein Geschenk... Foto: Juliescribbles / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 4.0int

(KL) – Der Auftritt gestern Abend von Jean Castex in den Abendnachrichten auf TF1 hatte etwas unglaublich gönnerhaftes. Mit viel Brimborium erklärte Castex, man habe die Preisexplosion für Benzin wahrgenommen und deshalb bekommt nun jeder Franzose, der weniger als 2000 € im Monat verdient, ein vorweihnachtliches Geschenk. 100 Euro. Wobei, vorweihnachtlich ist das Geschenk nicht, denn die 100 Euro kommen dann wohl bei den meisten doch erst nach Weihnachten an. Oder im Januar. Oder noch später. Und ein Geschenk ist es eigentlich auch nicht.

Viele Beobachter rätselten im Vorfeld der Castex’schen Ankündigungen, ob die Regierung an der Stellschraube Steuern drehen würde, oder eventuell einen drastischen Preisstop verhängen könnte, doch alle lagen falsch. Stattdessen spendiert die Regierung zum Auftakt jedem Franzosen einen Hunderter, ob man nun ein Auto fährt oder nicht.

Denn, so Castex, seine Experten hätten errechnet (es folgte eine hektisch vorgetragene Musterrechnung, für deren Verständnis man mindestens Diplom-Mathematiker sein musste), dass die Erhöhung des Benzinpreises jeden Franzosen im Durchschnitt 80 Euro kostet. Aber hallo, so kurz vor Weihnachten wollen wir mal nicht so sein, wir legen noch ‘nen Zwanni drauf und machen’s rund, das macht ‘nen Hunni pro Nase. Für alle mit einem Einkommen von unter 2000 Euro im Monat.

Das Geld kommt automatisch, Big Brother lässt grüssen. Wird den ersten Empfängern mit dem Dezembergehalt überwiesen. Wir regeln das dann mit dem Arbeitgeber. Beamte und öffentlicher Dienst im Januar. Rentner irgendwann später. Anträge müssen keine gestellt werden. Wir kennen unsere Pappenheimer. Danke, o Castex, danke!

Aber mal Klartext: Wer viel Autofahren muss, beispielsweise, weil er auf dem Land lebt oder eine weite Anfahrt zur Arbeit hat, für den sind die 100 Euro ein Tropfen auf den heißen Stein. Für den Nichtautofahrer ein nettes Vorwahlgeschenk. Und ein Zeichen, dass es die aktuelle Regierung so richtig gut mit dem Volk meint. Ein Geschenk!

Doch das Geld, das Castex da über den Franzosen ausschüttet, kommt nicht etwa aus seinem persönlichen Sparschwein, sondern es gehört faktisch denjenigen, denen er es so grosszügig schenkt. Den Franzosen. Insofern ist es also eher eine Art Payback. Und wie so vieles unter dieser Regierung steht auch diese Entscheidung unter dem Motto „gut gedacht, schlecht gemacht“. Denn die hohen Benzinpreise zahlen weiterhin die Vielfahrer, die auf das Auto angewiesen sind. Deren Hunni ist nach einmal Tanken weg. Die anderen gehen derweil mal gut essen mit ihrem Hunni. Und die Benzinpreise steigen munter weiter.

Eine Maßnahme gegen die hohen Benzinpreise ist das also nicht. Vielmehr erinnert die Aktion an den verblichenen Kokain-Baron Pablo Escobar. Der verteilte gerne Geldscheine, die er auf seine Anhänger regnen ließ. Der Unterschied zu Castex liegt darin, dass Escobar dabei sein eigenes Geld verteilte. Auch, wenn das aus nicht so sauberen Geschäften stammte. Zumindest ist jetzt allen klar, dass der Wahlkampf auf vollen Touren läuft. Als nächstes werden Castex und Macron dann wohl Babys küssen…

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