Das grosse Zittern der Märchenprinzen

Die aktuelle gesellschaftliche Debatte um Gewalt gegen Frauen beunruhigt die französischen Männer. Die dazugehörige Debatte erinnert an die 80er Jahre in Deutschland.

Von einem harmonischen Miteinander sind wir gerade ziemlich weit entfernt... Foto: Luminage Photography / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 3.0

(KL) – Erinnern Sie sich an „Der Tod des Märchenprinzen“ von Svende Merian? Dieses Buch war in den frühen 80er Jahren Gesprächsgegenstand in jeder WG, erschütterte das Selbstverständnis der Männer und ermutigte viele Frauen, begeistert für die Umkehrung der Verhältnisse zu kämpfen. Nicht etwa für die Gleichberechtigung von Frau und Mann, sondern eben einfach die Umkehrung der Verhältnisse. Das klappte zwar nicht so richtig (und Hennig Venske gebührt Dank für sein etwas später erschienenes Büchlein „Ich war der Märchenprinz“…), aber nun flackert diese Debatte bei den französischen Nachbarn wieder auf.

Das Rollenverständnis von Männern und Frauen wird gerade massiv in Frage gestellt. Wenn auch die gesellschaftliche Debatte zur Frage der Gewaltstrukturen zwischen Männern und Frauen sehr nützlich und wichtig ist, so sind die Reaktionen vieler Männer in Frankreich denen in Deutschland in den 80er Jahren sehr ähnlich. Und sowohl Frauen als auch Männer schießen in dieser Debatte weit über das Ziel hinaus.

Während der Hashtag #balancetonporc („Verpfeif dein Schwein“) zu einer Welle öffentlicher Beschuldigungen geführt hat, bei denen durchaus Existenzen gefährdet sind, scheinen einige Frauen ihre eigene Geschichte vergessen zu haben. Denn in vielen Fällen erinnern die „Outings“ von Frauen an die Hexenjagden des Mittelalters, in denen ebenfalls eine öffentliche Beschuldigung reichte, um Existenzen auszulöschen.

Auf der anderen Seite empfinden viele französische Männer diese Debatte als „Hysterie“ und genau diese Reaktion zeigt, was im Argen liegt. Die Hand auf dem Hintern, das plumpe Insistieren („komm, du willst es doch auch“…) und andere deplatzierte Gesten werden von vielen Männern als „normal“ betrachtet und schon wird laut gejault, dass man dann ja gar keine Frauen mehr anflirten könne.

Gesellschaftlich birgt diese Diskussion Sprengstoff. Während viele Frauen für die Umkehrung der Verhältnisse kämpfen, verteidigen viele Männer ihre Erbhöfe, indem sie das Phänomen Gewalt verharmlosen und die Frauen wiederum in die Verpflichtung setzen, dieses Phänomen Gewalt mit Zahlen zu belegen. Das, was Frauen erleben und berichten, reicht natürlich nicht – bevor Mann bereit ist, sich und sein Verhalten auf den Prüfstand zu stellen, muss ihm Frau erst einmal wissenschaftlich beweisen, warum das nötig sein soll. Und so verhärten sich die Fronten, statt zu einem konstruktiven Dialog zu führen. Dabei ist das männliche „so schlimm ist das doch gar nicht und wenn es mal zu Gewalt kommen sollte, dann haben wir ja die Polizei und die Gerichte“ genauso dämlich wie das geradezu orwell’sche „alles Schweine“ der Frauen.

Und obwohl sich in Frankreich gerade Frauen und Männer gegenseitig anschauen, als kämen sie von verschiedenen Planeten, so ist diese Debatte mehr als wichtig und nützlich. Denn wer Gewalt gegen Frauen bekämpfen will, kann das nur über den Dialog zwischen den betroffenen Gruppen erreichen. Und dieser Dialog hat begonnen – auch, wenn alle momentan weit über das Ziel hinausschießen. Aber das wird sich auch noch einpendeln…

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