Das hat Boris Johnson nicht gewollt…

Der „Brexit“ könnte, glaubt man aktuellen Umfragen, zu einer Wiedervereinigung Irlands führen. Selbst im britischen Nord-Irland hält man diese Option für nicht unrealistisch. Das Vereinte Königreich beginnt zu bröckeln...

Die Iren wollen keine neue, harte Grenze zwischen den beiden Teilen der Insel... Foto: Eric Jones / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 2.0

(KL) – Noch vor ein paar Jahren wären die Umfragen noch ganz anders ausgefallen. Die Teilung der irischen Insel in Nord-Irland als Teil Großbritanniens und die Republik Irland als EU-Mitglied, war der Status Quo, der jahrelang als ebenso unumstößlich galt wie die deutsche Teilung in BRD und DDR. Doch durch den Brexit hat die irische Frage eine ganz neue Dynamik erhalten – das Thema „Wiedervereinigung“ liegt plötzlich auf dem Tisch.

Boris Johnson wird die Geister, die er mit seinem „Hard Brexit“ rief, nun nicht mehr los. Nachdem Schottland sofort nach dem Brexit ein neuerliches Referendum über seine Unabhängigkeit von Großbritannien angekündigt hat, das London zwar genehmigen muss, aber nicht dauerhaft verhindern kann, wird nun in Irland offen über die Zukunftsperspektive eines vereinten Irlands diskutiert. Mittlerweile hält ungefähr die Hälfte der Bevölkerung in beiden Teilen der Insel diese Option für absolut realistisch.

Dass die Iren in beiden Teilen der Insel keine Lust verspüren, den Bürgerkrieg wieder aufzunehmen, der die Insel so lange Jahre erschüttert hatte, erkennt man beim Übertritt zwischen beiden Ländern, der eigentlich eine „EU-Außengrenze“ ist. Da die Briten, wie immer in den letzten Jahren, keine Ahnung hatten, wie sie mit dieser Situation umgehen sollen und wollen, musste sich Brüssel mächtig ins Zeug legen, um wenigstens für eine Übergangsphase sicherzustellen, dass der kleine Grenzverkehr zwischen Nord-Irland und der Republik Irland nicht durch massive Grenzkontrollen zum Erliegen kommt.

Die Umfragen zeigen mittlerweile ein ganz knappes Ergebnis, das bedeutet, dass verhärtete Fronten langsam aufweichen. So wünschen sich nach einer Umfrage des Instituts „LucidTalk“ 51 % der Nordiren ein Referendum über eine mögliche Wiedervereinigung in den nächsten fünf Jahren und ein Abstimmungsergebnis zu dieser Frage wäre momentan offen. 47 % der Nordiren sagen heute, dass sie bei Großbritannien bleiben wollen, während sich 42 % eine Wiedervereinigung mit der Republik Irland wünschen. Ob dieses Verhältnis auch in fünf Jahren noch so sein wird, wenn Nord-Irland die Konsequenzen des „Brexits“ erlebt haben wird und immer noch erlebt? Ein solches Referendum könnte schon bald auf die Frage hinauslaufen: „Mitglied der EU sein oder im abstürzenden Großbritannien verbleiben?“

Es bleibt allerdings zu hoffen, dass die Iren in beiden Teilen der Insel nicht dem Politclown Boris Johnson auf den Leim gehen und der Bürgerkrieg wieder aufflackert, ein Risiko, das Johnson, May und Cameron billigend in Kauf genommen hatten, um ihren populistischen Austritt aus der EU durchzuboxen. Vielleicht erkennt man auch in Nord-Irland, dass sich London herzlich wenig darum kümmert, was aus Nord-Irland wird. Denn dass London den schwierigen Frieden auf der irischen Insel so leichtfertig aufs Spiel setzt, das erzählt schon die ganze Geschichte der Beziehungen zwischen Großbritannien und der irischen Insel.

Man darf gespannt sein, wie das Auseinanderfallen des Vereinten Königreichs in den nächsten Jahren weiter verläuft. Aktuell wäre eine klare Mehrheit der Schotten für den Ausstieg Schottlands aus dem Vereinten Königreich, sollte sich eines Tages auch Irland für eine Wiedervereinigung und damit den Austritt Nord-Irlands aus Großbritannien entscheiden, dann bleibt vom Vereinten Königreich nicht viel übrig. Eigentlich nur noch England & Wales. Aber ob Wales im Vereinten Königreich bleibt, wenn Schottland und Nord-Irland aussteigen, das ist ebenfalls noch offen. Wen weiß, ob der Versuch der nationalistischen Briten Großbritannien „wieder great zu machen“ nicht dort endet, wo es viele Beobachter vermuten – in „Little Britain“…

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