Das Hauen und Stechen geht wieder los

Kaum sind die Präsidentschaftswahlen vorbei, beginnt auch schon der Wahlkampf für die Parlamentswahlen. Das ohnehin schon katastrophale Niveau der politischen Auseinandersetzung sinkt noch weiter ab...

In vier Wochen müssen die Franzosen erneut in die Wahlkabinen. Foto: Eurojournalist(e) / CC-BY 2.0

(KL) – In vier Wochen müssen die Franzosen erneut an die Urnen. Bei den Parlamentswahlen am 12. und 19. Juni wird die Assemblée Nationale neu gewählt, deren Mehrheit den neuen Regierungschef wählt. Dieser wird zwar laut Verfassung vom Präsidenten alleine bestimmt, doch kann der Präsident im politischen Tagesgeschäft nicht ohne die Mehrheit im Parlament regieren, weswegen es in Frankreich Usus ist, dass es dann zu einer „Cohabitation“ kommt. Doch bis es soweit kommt, steht nun erst einmal ein kurzer, vier Wochen dauernder Wahlkampf an, bei dem die französische Politik bereits jetzt ihr häßlichstes Gesicht zeigt.

Da werden Wahlbündnisse geschmiedet, die so brüchig sind, dass sie nicht einmal einstimmig von den Mitgliedern der jeweiligen Parteien getragen werden und von denen fraglich ist, ob sie überhaupt bis zum ersten Wahlgang halten. Da werden Wahlkreise an politische Adlaten verteilt, denen man möglichst einen sicheren Sitz zuschustern will, da werden noch schnell die Parteien (inklusive „Werten“, „Programmen“ und „Überzeugungen“) gewechselt, da spielt jeder gegen jeden und auch der letzte Wähler sieht, dass es den meisten Kandidaten nicht um das Gemeinwohl, sondern nur um die eigene Karriere geht.

So weit, so schlecht. Das ist in der Politik nichts neues und das Phänomen beschränkt sich sicher nicht auf Frankreich. Nur ist es in Frankreich eben besonders ausgeprägt.

Alleine die nun erfolgende Zuweisung der Wahlkreise wäre in anderen Ländern gar nicht so möglich. Da gibt es die „Parachutage“, was in etwa bedeutet, dass ein Kandidat per „Fallschirm“ in einen vielversprechenden Wahlkreis geworfen wird, den er nicht einmal kennt, wo er nicht wohnt, wo er mit den Umständen nicht vertraut ist. Da darf man sich nicht wundern, dass immer weniger Menschen überhaupt noch wählen gehen. Bei den Präsidentschaftswahlen im letzten Monat hatte bereits fast ein Drittel der Wählerschaft die Ohren auf Durchzug gestellt und ist der Wahl ferngeblieben. Bei der Parlamentswahl im Juni rechnen viele Politologen mit einer noch geringeren Wahlbeteiligung.

Doch eine exrem geringe Wahlbeteiligung verzerrt im französischen Wahlsystem das Ergebnis. Als Abgeordneter ist gewählt, wer im ersten Wahlgang mehr als 50 % der abgegebenen Stimmen auf sich vereint, was immer seltener und nur noch in wenigen Wahlkreisen vorkommt. In die Stichwahl, in der die einfache Mehrheit der Stimmen reicht, kommen alle Kandidaten, die mindestens 12,5 % der wahlberechtigten Wählerstimmen geholt haben, was eben auch kaum noch vorkommt. Diese Gemengelage, zusammen mit kaum noch nachvollziehbaren politischen Manövern, Allianzen, politischem Gebrülle unter der Gürtellinie, wird zu einem noch übleren Wahlkampf als bei der Präsidentschaftswahl führen und diese Kakophonie hat bereits begonnen.

Das Schlimme an der Situation ist allerdings, dass diese Parlamentswahl die weitere politische Orientierung Frankreichs festlegen wird. Eine erneute Mehrheit für die Regierungspartei von Emmanuel Macron „Renaissance“ (so heißt sie seit einer Woche) würde bedeuten, dass der sehr unbeliebte Präsident erneut fünf Jahre schalten und walten kann, wie es ihm beliebt. Eine Mehrheit für den sich gerade gebildet habenden linken Block ist für viele Franzosen Teufelwerk. Und die dritte Fraktion hängt rechtsextremen, xenophoben und nationalistischen Idealen nach. Eine dieser drei Optionen wird künftig weitgehend die Richtung der französischen Politik bestimmen.

Das „Superwahljahr 2022“ nimmt immer mehr die Züge einer schlechten Soap Opera an. Die vier nächsten Wochen des Wahlkampfs werden extrem nervig werden. Die fünf Jahre danach allerdings auch.

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