Das ist der Gipfel!

Heute findet wieder einmal ein entscheidender EU-Gipfel über den Brexit statt. Der britische Versuch der Quadratur des Kreises geht aber inzwischen auf Kosten der europäischen Handlungsfähigkeit.

Hier geht es heute rund - eine Entscheidung zum Brexit steht im Europäischen Rat an. Foto: EU2017EE Estionian Presidency / Wikimedia Commons / CC-BY 2.0

(KL) – Das Spektakel um den Brexit kann inzwischen mit dem Absurden Theater eines Eugene Ionesco mithalten. Was, um Himmels Willen, wollen die europäischen Regierungschefs und Präsidenten der Institutionen denn auf diesem erneuten und xten Sondergipfel entscheiden? Kann die EU anstelle der Briten entscheiden, wie es weitergehen soll? Kann sich noch irgendjemand bewegen, ohne dabei sich und anderen in den Fuß zu schießen? Hat Theresa May bei ihren gestrigen Blitzbesuchen in Berlin und Paris etwas erreichen können? Und wenn ja, was? Doch den einzigen Weg aus diesem politischen Gordischen Knoten, ein zweites Referendum, wird nach wie vor verhindert. Wollen die Briten am Ende, dass die EU sie irgendwann einfach ‘rauswirft?

Inzwischen wird die unerbittliche Theresa May von den britischen Parlamenten am Nasenring durch die Manege geführt. Das am Montag von Unterhaus und Oberhaus verabschiedete Gesetz verbietet Theresa May einen „No Deal-Brexit“. Und das grenzt den ohnehin nicht mehr vorhandenen Spielraum der britischen Premierministerin noch weiter ein. Zumal auch sie nicht mehr erklären kann, was im Falle einer weiteren Fristverlängerung bis zum 22. Mai (eine der im Raum stehenden Optionen) passieren sollte. Oder im Fall der von Ratspräsident Donald Tusk angeregten „Flextension“ von bis zu einem Jahr, was die Teilnahme der Briten an der Europawahl bedeuten würde und ein absolutes parlamentarisches Schildbürgerstück. Was, bitteschön, soll nun passieren, was in den letzten drei Jahren nicht passieren konnte?

Was wäre denn, wenn die EU eine weitere Fristverlängerung ablehnt und damit die Briten vor eine einfache Wahl stellte? Entweder, Großbritannien zieht den Antrag auf Austritt zurück, oder das Vereinte Königreich verständigt sich intern auf die Annahme eines der vielen Vorschläge, die auf dem Tisch liegen oder die EU protokolliert nach Ablauf des Datums den vollzogenen Austritt Großbritanniens aus der EU. Und Vorschläge gibt es nun wirklich zur Genüge. Sie reichen vom einfachen Verzicht auf den Brexit über ein zweites, verbindliches Referendum bis hin zum Verbleib im Binnenmarkt und/oder der Zollunion. Die Briten haben die Wahl.

Und selbst in dieser extrem angespannten Situation machen die britische Regierung und die Opposition dort weiter, wo sie seit drei Jahren auf der Stelle treten. Nach stunden- und tagelangen Verhandlungen zwischen Tories und Labour meint Oppositionsführer Jeremy Corbyn, dass man sich wohl doch nicht mit der Regierung auf irgendein gemeinsames Vorgehen verständigen könne. Und natürlich regt er weiterhin mantraartig Neuwahlen als Königsweg aus der Krise an. Doch vor lauter „ich will Kalif anstelle der Kalifin sein“ vergisst Corbyn, ebenso wie das britische Parlament, dass es nicht 5 vor 12, sondern 5 nach 12 ist. Die Brexit-Frist 1 ist am 29. März abgelaufen, die zweite läuft am Freitag, den 12. April ab. Freitag dieser Woche. Doch scheint die britische Politik nicht wahrzunehmen, dass es keine Zeit mehr für weiteres innenpolitisches Taktieren gibt.

Die EU steht vor wichtigen und wichtigsten Aufgaben. Ganz Europa ist von einer Welle des Neonationalismus erfasst, die Weltordnung zwischen den Großmächten wird gerade neu definiert und die EU muss Positionen zu den USA, Russland, China und dem Rest der Welt finden, es steht eine Europawahl an, bei der die Weichen für dringend benötigte europäische Reformen gestellt werden müssen, wir müssen eine neue europäische Politik zu den Krisenherden der Welt und den dazugehörigen Fragen der Migration finden und all das kommt gerade zu kurz, weil wir uns seit drei Jahren permanent damit beschäftigen, dass die Briten irgendwie aus der EU herauswollen, das aber gerne so organisiert hätten, dass sie dabei möglichst alle Vorteile der EU nutzen können, ohne dabei die europäischen Pflichten zu erfüllen. Und genau dieses Theater kann sich die EU nun nicht länger leisten.

Mittlerweile steht sogar die Glaubwürdigkeit der EU auf dem Spiel. Können sich die europäischen Staaten weiter eine „politische Auszeit“ leisten, unter dem Grinsen der Weltöffentlichkeit, nur weil die Briten es auch nach drei Jahren noch nicht ausklamüsert haben, was sie denn nun wirklich wollen? Die Antwort ist klar – nein. Und jetzt, bitteschön, entscheidet euch. So oder so. Bleibt gerne bei uns in der EU, aber wenn ihr das wirklich nicht wollt, dann geht eben. Aber hört auf, die 27 anderen EU-Mitgliedsstaaten in dieser wichtigen Phase zu lähmen. Das ist nämlich inzwischen der Gipfel.

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