Das Kandidaten-Karussell dreht sich schon

Im März werden in Frankreich die Bürgermeister und Stadträte gewählt. Diese Wahl wird als richtungsweisend betrachtet und das Hauen und Stechen um die Kandidaturen läuft auf Hochtouren.

Seine Nähe zu Emmanuel Macron ist für Alain Fontanel (rechts) nicht unbedingt ein Vorteil bei der kommenden OB-Wahl. Foto: Eurojournalist(e) / CC-BY-SA 4.0int

(KL) – Die Spatzen hatten es schon seit Monaten von den Dächern gepfiffen und nun ist es offiziell – der Erste Beigeordnete Bürgermeister der Stadt Straßburg Alain Fontanel wird als Kandidat der Regierungspartei LREM („La République en Marche“) für den OB-Posten der Europahauptstadt antreten. Die Frage, wer denn so alles gegen Fontanel antreten wird, ist nur zum Teil geklärt. Doch das Armdrücken in den Parteien interessiert die Straßburger inzwischen wenig.

Alain Fontanel hat ein großes Problem – und das ist seine eigene Partei. Angesichts der großen Unzufriedenheit der Franzosen mit der Regierung Macron / Philippe sagen die Umfragen vorher, dass die Regierungspartei LREM nur in wenigen Städten eine realistische Chance hat, den OB zu stellen, denn man rechnet mit einer „Protestwahl“ gegen die Regierung. Straßburg gehört zu den Städten, in denen LREM eventuell die Wahl gewinnen kann, trotz LREM und Macron und deswegen versucht Alain Fontanel nun auch den großen Spagat zwischen Parteitreue und Distanzierung. Der frühere PS-Politiker, der bereits früh seiner politischen Familie den Rücken gekehrt hatte, um in die höheren Sphären der damals ganz neuen LREM einzusteigen, hat den großen Vorteil, als Erster Beigeordneter Bürgermeister der Stadt eine hohe Sichtbarkeit und Präsenz zu haben und das steigert zweifellos seine Chancen.

Andererseits ist der Kandidat Fontanel stark von dem abhängig, was die französische Regierung in Paris fabriziert und das ist momentan alles andere als überzeugend. Sollte sich die Regierung in den Monaten bis zum Wahl im März 2020 noch mehr Fehler leisten, wird Fontanel dafür bei der Wahl die Rechnung präsentiert bekommen und gleichzeitig kann er sich auch nicht allzu sehr von seiner Partei distanzieren, will er seine Glaubwürdigkeit nicht verlieren – alles andere als eine einfache Situation.

Seine Konkurrenten sind ebenfalls dabei, sich zu sortieren. So hat die PS in einer Mitgliederabstimmung Matthieu Cahn zum Spitzenkandidaten gemacht, wobei seltsamerweise sowohl der aktuelle OB Roland Ries als auch der Präsident der Eurometropole Robert Herrmann offenbar darüber nachdenken, doch noch einmal anzutreten, nachdem beide schon lange erklärt hatten, sich aus der Politik zurückziehen zu wollen. Es ist schwer vorstellbar, was passiert, sollte sich einer der beiden dazu entschließen, doch wieder anzutreten. Sollten beide ihre Meinung ändern, dürfte das Chaos bei der PS unüberschaubar werden.

Bei den Grünen, denen ein sehr gutes Ergebnis vorausgesagt wird, ist die Stadträtin Jeanne Barseghian zur Spitzenkandidatin gekürt worden, ohne Gemauschel, ohne Streit in der Partei und Barseghian wird mehr als nur die Grünen bei dieser Kandidatur vertreten – verschiedene kleinere linke Parteien haben bereits ihre Unterstützung angekündigt und die Bildung der neuen Stadtregierung wird eine starke grüne Ausrichtung haben, falls der Kandidatin nicht die ganz große Überraschung gelingt.

Für die Konvserativen („Les Républicains“) bestimmte überraschenderweise deren nationale Wahlkommission in Paris nicht den Favoriten Jean-Philippe Maurer zum Kandidaten, sondern seinen jüngeren Konkurrenten Jean-Philippe Vetter. Für Maurer dürfte das die letzte Chance auf eine Kandidatur gewesen sein, was für den über seine Parteigrenzen hinaus beliebten Maurer eine große Frustration sein muss. Die rechtsextreme Formation “Rassemblement National”, ex-Front National, schickt mit dem völlig unbekannten Thibault Gond-Manteaux einen jungen Kandidaten ins Rennen, vermutlich, damit dieser ein paar Erfahrungen im Wahlkampf sammelt, aber sicher nicht, um die Wahl zu gewinnen.

Ein Fragezeichen steht hinter der konservative Formation AGIR der Europaabgeordneten und früheren Bürgermeisterin Fabienne Keller, bei der man noch nicht weiß, ob diese die Kandidatur Fontanels unterstützen, eine eigene Liste präsentieren oder sich auf die Rolle der Zuschauerin begrenzen will. Und man kann damit rechnen, dass sich noch andere Listen und Kandidaten und Kandidatinnen präsentieren werden.

Dass Alain Fontanel heute als leichter Favorit gehandelt wird, sagt noch nichts aus – bis März 2020 wird noch viel passieren. Doch eines scheint schon klar zu sein – keiner der Bewerber wird im ersten Wahlgang die absolute Mehrheit erreichen und alle Kandidatinnen und Kandidaten müssen heute schon überlegen, wer mit wem für die zu erwartende Stichwahl zusammengehen könnte.

Die Straßburger selbst erleben dieses Kandidaten-Karussell halb amüsiert, halb gelangweilt. Die parteiinternen Kämpfe interessieren kaum jemanden. Echtes Interesse wird wohl erst dann aufkommen, wenn alle Kandidaturen, die Programme und die Listen auf dem Tisch liegen. Doch bis dahin kommen erst noch die Feiertag zum Jahresende und die Vorbereitungen des Weihnachtsmarkts mit seinem Gastland Libanon sind momentan deutlich spannender. So richtig in die heiße Phase dieses Wahlkampfs wird es erst im Januar gehen, dann allerdings mit Vollgas. Man darf gespannt sein…

In der nächsten Woche werden wir schauen, wie die Wahlvorbereitungen in Mulhouse und Colmar laufen.

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