Das Licht brennt wieder: Gegenwart in der Rheinoper

„Die Hochzeit des Figaro“, die gute alte bewährte Mozart-Oper, steht auf dem Programm in Straßburgs Musentempel – und das direkt nach der Präsentation der Oper der Zukunft.

Die "Hochzeit des Figaro", ein zeitloser Klassiker... Foto: Rheinoper Strasbourg

(Von Michael Magercord) – Vor einem Monat hieß es in der Rheinoper von Straßburg noch „Kein Licht“. Dahinter verbarg sich nicht nur ein Theatermusik-Spektakel über die Unmoral des Stromverbrauchers, das mit stromverbrauchenden Elektronikklängen unterlegt wurde, sondern nichts weniger, als die „Oper der Zukunft“. Zumindest, wenn man ihrem Regisseur Nicolas Stemann glauben schenkt.

Die Oper ist eigentlich langweilig und man verlasse sie immer irgendwie unbefriedigt, meint der Sprössling des deutschen Regietheaters, doch mit algorithmischer Live-Musik aus Laptops, bekommen die Akteure mehr Freiraum. Vorbei ist es mit den starren Partituren und Libretti, „Work in progress“ ist angesagt, endlich dürfen alle Beteiligten aus dem Stück ihr eigenes Werk machen, und das auch noch permanent – oder eben ihm ziemlich viel Firlefanz bei tun, auf dass so manchen Besucher der Rheinoper vor einem Monat nicht die Sorge vor dem atomaren Super-GAU, der auf Bühne inszeniert wurde, erschaudern ließ, sondern die Angst vor der Zukunft der Oper.

Aber ab Freitag herrscht dort erst einmal die Operngegenwart. Der ach so graue Opernalltag zieht wieder in den Musentempel ein, und das ausgerechnet mit einem der buntesten Werke der Operngeschichte, Mozarts „Hochzeit des Figaro“. Da ist alles drin, was eine klassische Oper ausmacht: eine verzwickte Liebe in der Geometrie der gehobenen Kreise und niedrigen Stände voller Arien, Duetten und Chorgesängen. Klar, auch damit kann ein zukunftsorientierter Regisseur Etliches „machen“, nur keine Apokalypse. Denn fest einplant in Libretto und Musik ist nun einmal das Happy-End.

Ja, natürlich wissen wir modernen, von Zukunft und ihren Aussichten geplagten Opernbesucher, wie wenig das mit unserem Leben noch zu tun hat. Aber seien wir gewiss: das hatte schon zu Mozarts Tagen kaum etwas mit dem Alltag zu tun, und doch musste man sich für den kurzen Augenblick in der Operngegenwart dem Gedanken aussetzen, dass es tatsächlich die Möglichkeit geben könnte, glücklich zu sein. Zu sein, wohlgemerkt, nicht erst zu werden.

Und vielleicht ist es diese Vorstellung, die in unseren modernen, zukunftsbesessenen Zeiten, so schwer zu ertragen ist, ja sogar in Anbetracht der kommenden Apokalypsen unmoralisch erscheint. Fast so unmoralisch wie Stromverbrauch. Doch was, wenn es gerade an der Zukunftsbesessenheit und dem Streben, irgendwann einmal glücklich werden zu wollen, liegen würde, dass wir all den Unsinn anstellen, der uns erst die Gründe gibt, Angst vor der Zukunft zu haben. Sind Apokalypsen letztlich sich selbst erfüllende Prophezeiungen von Leuten, die sich nicht vorstellen können, auch heute schon einfach einmal glücklich sein zu können?

Diese Vorstellung wenigstens diesen einen Opernabend lang erträglich zu machen, dafür muss der französische Regisseur Ludovic Lagarde mit seiner ersten Inszenierung an der elsässischen Rheinoper sorgen. Mal sehen, ob ein Happy-End auch heute zumindest auf der Opernbühne noch überzeugend möglich ist. Am Libretto und der Musik sollte das jedenfalls nicht scheitern.

“Le Nozze di Figaro” – Wolfgang Amadeus Mozart

in einer neuen Produktion der Rheinoper

Strasbourg – Opéra
Freitag, 20. Oktober 20.00 Uhr
Sonntag, 22. Oktober 15.00 Uhr
Dienstag, 24. Oktober 20.00 Uhr
Donnerstag, 26. Oktober 20.00 Uhr
Samstag, 28. Oktober 20.00 Uhr
Dienstag, 31. Oktober 20.00 Uhr

Mulhouse – La Filature
Freitag, 10. November 20.00 Uhr
Sonntag, 12. November 15.00 Uhr

Vorabgespräch in der Buchhandlung Kleber
mit Patrick Davin, Ludovic Lagarde, Catherine Trottmann
Donnerstag 19. Oktober, 18.00 Uhr
(auf Französisch)

Informationen und Tickets unter: www.operanationaldurhin.eu

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