Das neue Lieferkettengesetz

Firmen sollen ab jetzt per Gesetz Menschenrechte einhalten und Umweltschutz fördern

In vielen Ländern der Dritten Welt entsprechen die Arbeitsbedingungen nicht westlichen Standards. Diese Fabrik in Kalkutta gehört noch zu den besseren. Foto: Indrajit Das / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 4.0int

(Karl-Friedrich Bopp) – Wir alle freuen uns über billige Jeans und Turnschuhe. Nur, bei deren Produktion in ausländischen Betrieben werden oft selbst minimale Sozial- und Umweltstandards nicht eingehalten. Die Bundesregierung hat jetzt ein Gesetz auf den Weg gebracht, dass dies in Zukunft verhindern soll. Das Gesetz heißt „Lieferkettengesetz“.

Wir alle haben die Bilder noch vor Augen. Im Jahre 2013 wurden in Bangladesch beim Einsturz eines Firmengebäudes über 1000 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen getötet. Trotz eines erkennbar schlechten Zustandes des Gebäudes wurden die Beschäftigten weiterhin gedrängt, regelmäßig zur Arbeit zu kommen. Solche Missstände soll das Lieferkettengesetz in Zukunft verhindern und so zu menschenwürdigeren Arbeitsverhältnissen weltweit beitragen. Zusätzlich soll das Gesetz in armen Ländern Kinderarbeit und Umweltzerstörung zurückdrängen.

Vor solch edlen Zielen ließ sich Arbeitsminister Hubertus Heil zu Superlativen hinreißen. Er nannte das Gesetz „historisch“ und erklärte es auch gleich „zum stärksten in Europa“. Es werde vielen Menschen in den Lieferländern mehr Rechte geben. Vor solcher Begeisterung lohnt es sich doch, den Text etwas genauer zu lesen. Danach sind Firmen nur für die direkten Zulieferer verantwortlich. Bei Zwischenhändlern müssen die deutschen Unternehmen nur tätig werden, wenn es „Hinweise auf Menschenrechtsverletzungen“ gibt.

Überwachen soll das Gesetz das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle, das bei Bedarf Kontrollen im Ausland durchführen kann. Bei Nichteinhaltung der Regeln können Betriebe bis zu drei Jahren von öffentlichen Aufträgen in Deutschland ausgeschlossen werden. Vor deutschen Gerichten klagen können die Arbeiter und Arbeiterinnen der Zulieferfabriken allerdings nicht. Aber Gewerkschaften und Bürgerrechtsorganisationen bekommen die Möglichkeit, in deren Namen vor deutsche Gerichte zu ziehen.

Das Gesetz muss jetzt erst noch vom Bundestag verabschiedet werden. Laut Plan soll es ab dem Jahre 2023 für Unternehmen mit mehr als 3 000 Mitarbeitern gelten, ein Jahr danach auch für solche ab 1 000 Mitarbeiter. Da stellt sich sofort die Frage, wie viele Unternehmen sind das eigentlich? 2023 werden davon 600 Unternehmen betroffen sein, ein Jahr danach wären es 2.900. Mittelständische Unternehmen sind nicht betroffen. Zur Erinnerung: In Deutschland gibt es 3,5 Millionen Unternehmen. Das bedeutet, dass selbst ab 2024 nur 0,1 % der Unternehmen davon betroffen sind. Da gibt es doch noch reichlich Luft nach oben.

Frankreich hat bereits 2017 ein Lieferkettengesetz verabschiedet. Allerdings ist auch hier der Adressatenkreis auf Großunternehmen begrenzt. Nur Unternehmen mit mindestens 5.000 Mitarbeiter sind betroffen. Das macht nicht mehr als 120.

Als verantwortungsvolle Bürger und Bürgerinnen können wir allerdings mehr tun als nur das zaghafte Agieren unserer Regierungen zu bedauern. Als Konsumenten haben wir Macht. Wir als Verbraucher entscheiden über den Erfolg von Produkten und Unternehmen. Es liegt an uns, durch unsere individuellen Kaufentscheidungen Einfluss auf Unternehmen zu nehmen. Wir können dafür sorgen, dass durch Druck von unten solche Unternehmen Erfolg haben, die freiwillig ihre Lieferketten offenlegen und somit nachweisen, dass ihre Zulieferer Menschrechte einhalten und Umweltschutz fördern.

Wie beschrieben, können sich auf keiner Seite des Rheins die Regierenden damit brüsten, dank nationaler Gesetzgebung die Menschenrechte von Arbeiternehmern und Arbeitnehmerinnen weltweit wesentlich zu verbessern. Dasselbe gilt für die Einhaltung von Umweltstandards. Wir als Verbraucher können aber durch unser Kaufverhalten viel zum Bessern verändern, auch bei den sogenannten kleinen und mittleren Unternehmen. Los geht’s. Fangen wir morgen damit an!

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