Das Problem der katholischen Kirche ist das Bodenpersonal

Nachdem der emeritierte Papst Benedikt XVI. Falschaussagen zugeben musste, probiert sein Team jetzt eine neue Taktik: Man geht zum Gegenangriff über. Und weiterhin treten die Katholiken scharenweise auf der Kirche aus.

Dass sich der frühere Papst Benedikt XVI. und sein Adlatus Georg Gänswein heute als "Opfer" sehen, ist genauso skandalös wie der sexuelle Missbrauch in der katholischen Kirche. Foto: WDKrause / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 3.0

(KL) – Der aus der Ortenau stammende Privatsekretär des früheren Papstes Benedikt XVI., Georg Gänswein, hat den Jammermodus eingeschaltet. Nachdem sein Chef einräumen musste, die Unwahrheit über ein Treffen im Jahr 1980 gesagt zu haben, bei dem ein der Pädophilie überführter Priester einfach in eine andere Diözese versetzt wurde, geht Gänswein nun in die Offensive. Doch das zeigt nur, dass die Kirchenoberen immer noch nicht verstanden haben, dass die Jahrhunderte lang gepflegte „Tradition“ des Kindesmissbrauchs ein Verbrechen, und nicht etwa Beiwerk des kirchlichen Daseins ist. Seit Jahren gibt die katholische Kirche nur das zu, was man ihr lückenlos nachweisen kann und schützt ansonsten auch heute noch überführte und verurteilte Sexualstraftäter in ihren Reihen. Und dabei wundert sie sich, dass immer mehr Gläubige der katholischen Kirche enttäuscht den Rücken kehren, ohne dabei ihren Glauben abzulegen.

Georg Gänswein, der ebenso wie der frühere Kardinal Ratzinger eine kirchliche Traumkarriere hingelegt hat und es dank seines Förderers bis zum Erzbischof brachte, ist wütend. Die Nachweise, dass der frühere Papst nicht die Wahrheit gesagt hat, sind für Gänswein eine „Kampagne, die das Andenken des früheren Pontifex beschmutzen sollen“. Eine Introspektion oder gar eine Selbstkritik sehen anders aus. Mit seinem Satz „Es gibt hier viel Dreck“ hat Gänswein völlig Recht, allerdings nicht so, wie er es meinte. In seinem Sprachgebrauch ist es „Dreck“, die sexuellen Gewalttaten durch katholische Geistliche aufzudecken, während die eigentliche kriminelle Handlung katholischer Geistlicher offenbar immer noch als „Kavaliersdelikt“ betrachtet wird.

Dazu nimmt Gänswein seinen Chef und sich selbst wohl doch ein wenig zu wichtig. In einem Interview mit dem „Corriere della Sera“ verstieg sich Gänswein zu der Aussage, dass es „Strömungen“ gäbe, die die Person [Benedikts XVI] und das Werk zerstören wollten. Aha. Um ehrlich zu sein, kein Hahn kräht heute noch nach Benedikt XVI., der Mann taucht momentan nur noch wegen seiner Falschaussage in den Medien auf. Und welches „Werk“ es da zu zerstören gibt, das muss Gänswein auch noch erklären, denn das Pontifikat von Benedikt XVI. hat weder die Welt, noch die katholische Kirche sonderlich geprägt.

Benedikts Aussage, dass er nicht an besagter Sitzung teilgenommen habe, wurde so lange aufrechterhalten, bis man ihm das Gegenteil nachweisen konnte. Für Gänswein kein Problem. Die bisherige Falschaussage Benedikts kommentiert der Erzbischof so: „Es bleibt der Fakt, dass ein Fehler und eine Lüge zwei unterschiedliche Dinge sind“. Aha. Wie gut für Benedikt, dass er mit so einer Argumentation nicht vor einem irdischen Gericht erscheinen muss…

Erschreckend ist bei der Angelegenheit, dass es sich offenbar immer noch nicht bis in die verkrusteten Strukturen des Vatikans herumgesprochen hat, dass sexueller Missbrauch von Kindern und Jugendlichen etwas ist, das radikal bekämpft werden muss. Und auch scheint man im Vatikan immer noch zu glauben, dass man solche Missbrauchsfälle am besten „intern löst“, indem man Sexual-Straftäter der übelsten Art einfach an einen anderen Ort versetzt, wo sie dann mit ihren kriminellen Handlungen weitermachen können. Unter dem Schutz der katholischen Kirche.

Dass sich jetzt aber Benedikt XVI. über seinen Adlatus Gänswein sogar als Opfer geriert, schlägt dem Fass den Boden aus. Für gläubige Katholiken wird es immer schwerer, Verhaltensweisen zu entschuldigen, die man nach bürgerlichem Recht als Akte einer „kriminellen Vereinigung“ betrachten könnte. Bleibt zu hoffen, dass man eines Tages auch im Vatikan versteht, was sexueller Missbrauch Schutzbefohlener bedeutet. Oder, um einen Satz von Georg Gänswein anders zu verwenden, als er gedacht war: „Es gibt viel Dreck hier“…

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