Das Problem der Politik sind die Parteien

In Deutschland stehen die Bundestagswahlen an, Frankreich bereitet sich auf die Departements- und Regionalwahlen vor, bevor das „Superwahljahr 2022“ beginnt.

So geht es momentan fast allen früheren Volksparteien... Foto: Hagedorn Unternehmensgruppe / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 4.0int

(KL) – Deutschland und Frankreich, die beiden Länder, die man gerne als „Motor Europas“ bezeichnet, stehen vor wichtigen, ja geradezu richtungsweisenden Wahlen. Begeisterung kommt allerdings in beiden Ländern nicht auf – denn die Kandidatinnen und Kandidaten sind, bis auf wenige Ausnahmen, seit Menschengedenken auf der politischen Bühne oder derartig langweilig, dass man von ihnen nicht unbedingt Antworten auf die drängenden Fragen unserer Zeit erwarten kann. Schuld daran sind die völlig verkrusteten und nicht mehr zeitgemäßen Parteiapparate.

Es ist schon erstaunlich, wie die ehemaligen Volksparteien in Deutschland und Frankreich Wahlergebnisse, Umfragen und selbst den Willen der eigenen Parteimitglieder ignorieren. Doch genau das bricht ihnen das Genick und beschert uns, dem Wahlvolk, Regierungen, die keinerlei Anbindung mehr an ihre Bevölkerung haben. Dabei verläuft die Entwicklung in Frankreich und Deutschland parallel – die ehemaligen Volksparteien implodieren und dümpeln in Richtung der politischen Bedeutungslosigkeit, nur scheinen sie die einzigen zu sein, die das nicht merken. Die französische PS und die deutsche SPD können im besten Fall noch hoffen, als Mehrheitsbeschaffer benötigt zu werden und selbst das ist alles andere als sicher. Die Konservativen der CDU/CSU und der „Les Républicains“ sind viel zu sehr mit sich selbst beschäftigt, als dass sie merken, dass sie in den Umfragen inzwischen darum kämpfen müssen, über der 20 %-Marke zu bleiben. Was mit dem Kandidaten Laschet, den nicht einmal seine eigenen Parteimitglieder als Spitzenkandidaten haben wollten, ziemlich schwierig werden dürfte. Dabei ist diese Entwicklung nicht neu. Die ehemaligen Volksparteien haben sie nur einfach verschlafen.

Nutznießer dieser Entwicklung sind die Grünen – wobei sich die Grünen in Deutschland stark von den Grünen in Frankreich unterscheiden. In Deutschland sind die Grünen bereits seit den 80er Jahren in der Politiklandschaft verankert und haben in diesen Jahrzehnten gelernt, wie Realpolitik geht. In Frankreich sind die Grünen erst im Frühjahr 2020 nach den Kommunalwahlen erstmals in echte Verantwortung gewählt worden (als die Grünen 6 der 10 größten Rathäuser Frankreichs eroberten). Aber – die Grünen sind momentan (neben den extremistischen Parteien) die einzigen, die neue Gesichter präsentieren und ganz offensichtlich näher an neuen politischen Bewegungen wie „Fridays for Future“ sind als der Wettbewerb.

Die früheren Volksparteien machen dort weiter, wo sie immer schon unterwegs waren. Bei jeder Wahl werden die Apparatschiks präsentiert, die immer schon da waren und sich einfach lange genug durch ihre Seilschaften hochgedient haben, um während eines Slogan-Wahlkampfs als neue „Hoffnungsträger“ aufgebaut zu werden. Dass ihnen das niemand mehr abnimmt, das scheinen sie auch nicht zu merken.

Dabei wimmelt es in allen Parteien nur so vor Talenten. – Doch politisches Talent reicht in dieser Parteienlandschaft nicht aus, um als Kandidat oder Kandidatin in Frage zu kommen – denn ohne „Hausmacht“ wird man nicht aufgestellt. Doch so lange die Parteien selbst ihre Talente blockieren und dafür farblose Frührentner aufstellen, die seit Jahrzehnten in der Politik sind, ohne in diesen Jahrzehnten Bemerkenswertes geleistet zu haben, so lange wird die Implosion dieser Parteien anhalten, wobei durchaus das Risiko besteht, dass sie tatsächlich von der politischen Bildfläche verschwinden.

Das beeindruckendste Beispiel hierfür sind die französischen Sozialisten, die PS. Noch im Frühjahr 2017 stellte die PS den Präsidenten und verfügte über die Mehrheit in Parlament und Senat, konnte also „durchregieren“. Zwei Jahre später, nachdem die PS alle Wahlen verloren hatte, bei denen sie antreten konnte, reichte es nicht einmal mehr für einen eigenen Spitzenkandidaten bei der Europawahl – stattdessen nominierte der ebenso farblose Chef der PS Olivier Faure den Sohn des Philosophen André Glucksman als Spitzenkandidaten, der weder PS-Mitglied ist, noch über herausragende Kenntnisse der europäischen Politik verfügt, noch den PS-Wählern bekannt gewesen ist. Dies war im Grunde bereits die politische Bankrott-Erklärung der PS und die Tatsache, dass die Partei nicht in der Lage ist, ihren Totengräber an der Parteispitze abzulösen, spricht Bände. Momentan ist nicht einmal klar, ob die PS überhaupt einen Kandidaten für die Präsidentschaftswahl 2022 aufstellen wird und bei der Parlamentswahl 2022 wird sie darum kämpfen müssen, wenigstens 10 % der Stimmen zu holen.

Bei der SPD sieht es nicht anders aus. Während sich die Grünen und die CDU/CSU um den Titel „stärkste Partei“ streiten (Vorteil momentan bei den Grünen), ist die SPD ins Verfolgerfeld abgesunken, wo sie mit AfD und FDP um den wenig ehrenvollen Titel der dritten Kraft im Land kämpft und das im Bereich von 12 – 14 %. Nur – wer alle politischen Talente in der eigenen Partei bei der Kandidatenkür ignoriert, um den charismafreien Olaf Scholz zu nominieren, der darf sich nicht wundern, dass die Wählerschaft ihr Kreuzchen woanders macht.

Es werden in naher Zukunft nur diejenigen Parteien überleben, die erkennen, was sie gerade falsch machen und die sich für neue Politikansätze öffnen. Doch solange diese früheren Volksparteien weiter bei ihren Parteitagen erklären, dass sie eigentlich ganz toll gearbeitet und lediglich nicht gut genug kommuniziert haben, so lange wird ihr Absturz andauern. Die Landung dürfte sehr schmerzhaft werden und diejenigen Parteien, die ganz unten angekommen sind, werden sich von dort aus auch nicht mehr aufrappeln. Der Zeitpunkt, diese Parteiapparate auszumisten und neu aufzustellen, ist heute und jetzt. Morgen dürfte es dafür bereits zu spät sein. Falls es das nicht schon ist…

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