Das „Recht auf Vergessen“ – jetzt muss man nur noch dran glauben…

Die Europäische Union will den Datenschutz im Internet verbessern. Das ist eine noble Absicht, hat aber mit den Realitäten des 21. Jahrhunderts nicht viel zu tun.

Google hat bereits angekündigt, seinen Nutzern mehr Rechte an den eigenen Daten einräumen zu wollen. Foto: Google / Googleplexwelcomesign / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 3.0

(KL) – Das Ziel, das die EU-Justizminister bei ihrem Treffen in Luxemburg definiert haben, ist klasse. Internet-Nutzer (und das ist eigentlich heute jeder), sollen ein „Recht auf Vergessen“ erhalten, sprich, die Privatsphäre im Internet soll geschützt werden. Nutzer sollen das Recht erhalten, ihre Daten löschen zu lassen. Der Missbrauch von personenbezogenen Daten soll eingedämmt werden. Das klingt toll. Und ist leider völlig unrealistisch, denn selbst die EU kann heute nicht mit Bestimmtheit sagen, wo und bei wem unser aller Daten gerade sind und genutzt werden. Da werden auch hehre Regelungen, Richtlinien und Vorschriften kaum etwas daran ändern. Richtig ist diese Absichtserklärung dennoch.

Wenn Sie einmal herausfinden wollen, wie ausgefuchst heute Ihre Daten bereits verwendet werden, dann machen Sie einmal einen einfachen Test. Suchen Sie im Internet nach einem Gebrauchsgegenstand, sagen wir mal, nach einem Fernseher, und führen Sie diese Suche erst auf dem Büro-PC durch, dann auf dem Smartphone und am Ende auf dem teuren iPad, das Sie sich geleistet haben. Überraschung – dasselbe Produkt kostet, je nachdem, wie teuer das Endgerät ist, mit dem Sie die Suche durchführen, unterschiedliche Preise. Und „das Internet“ wird sich daran erinnern, dass Sie ein iPad haben und ihnen künftig von vornherein den höheren Preis anbieten, da „das Internet“ sich ja daran erinnern kann, dass sie zu den begüterten Nutzern gehören. Immerhin haben Sie ja ein iPad.

Doch das institutionelle Europa hat gemerkt, dass Verbraucherschutz ein gutes Thema ist. Eines der wenigen Themen, mit denen man sich noch halbwegs bürgernah präsentieren kann, gleich, wie technologisch unrealistisch es ist, Datenflüsse im Internet kontrollieren oder gar steuern zu wollen. Denn das tun bereits diejenigen, die davon einen konkreten Nutzen haben. Was die EU-Justizminister in Luxemburg allerdings nicht davon abgehalten hat, sich gegenseitig kräftig auf die Schulter zu klopfen und festzustellen, dass diese Absichtserklärung zeige, wie gut Europa doch funktioniert. Na ja…

Sinnvoll ist es, wenn wie geplant in allen 28 Mitgliedsstaaten die gleiche Datenschutzverordnung gelten wird, wie es nun geplant ist. Denn das vereinfacht tatsächlich das rechtliche Vorgehen im Falle des Missbrauchs. Wobei sich in den letzten Monaten ja gezeigt hat, dass die Staaten selbst die größten „Missbraucher“ unserer Daten sind, aber das sei mal dahin gestellt.

Ob dieses Vorgehen, vor allem das „Recht auf Vergessen“, also das Löschen der eigenen Daten im Internet oder auch die Regelung, dass Nutzer künftig der Weiterverarbeitung ihrer Daten explizit zustimmen müssen, tatsächlich das „hohe Schutzniveau“ bringt, das die EU-Kommissarin Vera Jourova, die für Justiz und Verbaucherschutz zuständig ist, ankündigte, wird sich erst in der Praxis zeigen müssen. Denn die Geschäftsmodelle der Internet-Riesen basieren auf dem Sammeln und Weiterverarbeiten und Veräußern genau dieser Daten – insofern könnte sich die Umsetzung als schwierig erweisen.

Bis zum Jahresende müssen sich nun die Europäische Kommission, das Europäische Parlament und der Europäische Rat auf dieses neue Vorgehen verständigen. Bis zum Jahr 2018 soll es dann rechtverbindlich werden – was den großen Internetkonzernen genug Zeit lässt, entsprechende Gegenstrategien auszutüfteln. Allerdings lässt diese Zeitschiene auch den europäischen Institutionen genug Zeit, das Vorgehen mit echten Experten zu besprechen und sich selber erst einmal so fit zu machen, dass sie wirklich verstehen, was sie da tun. Denn irgendwie wäre es beruhigend, würden solche Dinge tatsächlich auf Grundlage des Inputs von Experten entschieden und nicht von hochrangigen Vollamateuren wie dem EU-Kommissar für die digitale Entwicklung Günter Oettinger, der vermutlich schon bei Begriffen wie „copy/paste“ ins Schwimmen kommen dürfte…

Immerhin, immerhin – Google hat bereits angekündigt, seinen Nutzern künftig mehr Rechte an den eigenen Daten einräumen zu wollen. Wer weiß, vielleicht kommt am Ende doch etwas Sinnvolles dabei heraus?

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