Das Virus – der große Gleichmacher

Das Coronavirus mischt die Karten neu. Nach der Krise wird die Welt eine andere sein und wir haben plötzlich die Chance, vieles besser zu machen. Aber auch, die Welt noch übler zu gestalten.

Bislang musste für das bedingungslose Grundeinkommen demonstriert werden - morgen wird es eine Selbstverständlichkeit sein. Foto: Mewulwe, Sir James / Wikimedia Commons / PD

(KL) – Das Coronavirus verändert gerade die Welt und es wird die Welt noch viel mehr verändern. Klar, vor dem Drecksvirus sind alle gleich, es überfällt die Menschen unabhängig vom Kontostand oder dem akademischen Grad. Es klingt wie eine Platitüde, ist aber nicht unbedingt eine – vor dem Tod, vor der Krankheit, vor dem Elend sind am Ende tatsächlich alle gleich. Doch auch für die Gesunden und Lebenden wird sich nach dieser Krise vieles verändern.

Dass wir auf eine unglaubliche Wirtschaftskrise zusteuern, ist heute jedem klar und diese Wirtschaftskrise wird dort zuschlagen, wo sich die Menschen nicht wehren können – bei den 41 % der Bevölkerung, die über keinerlei Vermögen verfügen und es bislang gewohnt waren, von Monatsgehalt zu Monatsgehalt zu leben. Dazu kommen noch die zahlreichen Freiberufler, Künstler, Gelegenheitsjobber, die durch den Zerfall der Wirtschaft ebenfalls von einem Tag auf den anderen ohne Einkommen und Ressourcen dastehen. Das bringt eine ganz neue Gemengelage, die unsere Gesellschaften zwingt, sich völlig neu auszurichten – mit einem bedingungslosen Grundeinkommen, das diejenigen zu finanzieren haben, die es können.

Bislang war es so, dass es in den meisten europäischen Ländern einen Prozentsatz an „Armen“ gab, der zwischen 15 und 20 % lag, ein Bevölkerungsanteil, den man ungestraft links liegen lassen und den man mit Hartz IV ruhig stellen konnte, ohne dabei Gefahr zu laufen, dass sich diese Bevölkerungsschicht organisieren und rebellieren würde. Nach der Corona-Krise gilt das aber nicht mehr. Wenn rund die Hälfte der Bevölkerung in Not gerät, wird es eng für diejenigen, die sich seit Jahrhunderten die Taschen füllen. Man kann nicht der Hälfte der Bevölkerung schulterzuckend alles Gute für die Zukunft wünschen und zur Tagesordnung übergehen. Ganz abgesehen davon, dass man Menschen brauchen wird, die den ganzen Laden wieder in Schwung bringen sollen.

Und plötzlich sind wir wieder beim Thema des bedingungslosen Grundeinkommens, allerdings unter völlig veränderten Vorzeichen. Bei der anstehenden Diskussion zu diesem Thema geht es nicht mehr um ein großzügiges Almosen, mit dem armen Menschen ein halbwegs menschenwürdiges Dasein garantiert werden soll, sondern es geht um die Notwendigkeit, den Zerfall der Gesellschaft zu verhindern und den Wiederaufbau der Wirtschaft zu ermöglichen. Jetzt geht es nicht mehr um Almosen, sondern um eine berechtigte Forderung, die entsprechend vorgetragen werden wird. Ab sofort wünschen wir uns nicht mehr das bedingungslose Grundeinkommen, sondern wir fordern es. Denn ansonsten wird sich die Wirtschaft auch für diejenigen nicht erholen, die am meisten profitieren.

Die ersten Reaktionen der Politik auf die kommende Wirtschaftskrise ungeahnter Ausmaße haben in vielen Ländern und auch in der EU etwas Formatiertes, wie einen Pawlow’schen Reflex. Man pumpt Geld in die Banken, ungeheure Summen, in der vagen Hoffnung, die Banken würden das Geld schon professionell so verteilen, dass alle etwas davon haben. Fehler! In Frankreich werden gerade 300 Milliarden Euro in die Wirtschaft geleitet, allerdings an Bedingungen gekoppelt, die kaum ein kleines oder mittelständisches Unternehmen erfüllen kann, schon gar nicht kleine Handwerksbetriebe oder Dienstleister. Folglich wird das Geld von denen abgegriffen werden, die ohnehin einen guten Draht zu den Banken haben und vor allem über die notwendigen Rechtsabteilungen verfügen, um die entsprechenden Anträge professionell zu stellen und zu verfolgen. Kurz – diese unglaublichen Summen werden dort landen, wo man sie am wenigsten braucht. 85 % der Arbeitsplätze befinden sich bei den kleinen und mittelständischen Unternehmen und wenn diese nicht gerettet werden, dürften die 300 Milliarden der letzte Schluck aus der Pulle für die großen Player der Wirtschaft gewesen sein.

Ein bedingungsloses Grundeinkommen von 1500 € pro Person ermöglicht nicht nur das Überleben der Hälfte der Gesellschaft (wodurch auch sichergestellt wird, dass diese Menschen auch sofort wieder in den Wertschöpfungsprozess der Wirtschaft eingebunden werden können), sondern startet auch den Konsum wieder durch. Denn was haben die großen Unternehmen davon, wenn sie wieder produzieren, die Menschen aber ihre Produkte nicht mehr kaufen können?

Wie das Ganze finanziert werden soll? Über ein Moratorium aller EU-Mitgliedsstaaten, die Rüstungsausgaben für drei Jahre komplett einzufrieren und das Geld in einen sozial gerechten Umbau der Gesellschaft zu stecken. Dann müssen eben drei Jahre lang die Sandkastenmanöver und der militärische Gemächtvergleich zwischen den Staaten ausfallen, denn es gibt gerade wirklich Wichtigeres zu tun. Und die Soldaten müssen dann eben drei Jahre lang mit etwas älterem Material ihre Trockenübungen machen. Um ein Kanzlerinnenwort zu bemühen – dies wird „alternativlos“ sein, denn ansonsten laufen die Mächtigen dieser Welt Gefahr, dass sie aus ihren Palästen gezerrt und dann nicht mehr an diesem Umbauprozess beteiligt werden.

Das Virus wird also zum entscheidenden Moment für den Umbau einer profitorientierten Gesellschaft zu einer menschenorientierten Gesellschaft werden. Es sei denn, in den Chefetagen von Wirtschaft und Politik möchte man wirklich testen, wie es aussieht, wenn die Hälfte der Bevölkerung, die nichts mehr zu verlieren hat, richtig wütend wird…

Kommentar hinterlassen

E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht.

*



Copyright © Eurojournaliste