Dem Westen fehlt ein Taktiker wie Wladimir Putin

Durch die überraschende Anerkennung der ukrainischen Wahlergebnisse hat sich Putin die Rechtfertigung für die Anerkennung der „Wahlen“ in der Ostukraine geschaffen.

Wie schade, dass die westlichen Politiker dem Taktiker Putin nicht annähernd das Wasser reichen können. Bisher hat er praktisch alles erreicht, was ihm wichtig ist. Foto: premier.gov.ru / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 3.0

(KL) – Die westlichen Medien sind voll von Analysen und Stellungnahmen, die Wladimir Putin kurz vor seinem politischen Ende sehen. Doch das ist reines Wunschdenken. Denn in der gesamten Auseinandersetzung um die Ostukraine, angefangen mit dem Maidan in Kiew und der Annektierung der Krim, hat Putin immer eine Nasenlänge Vorsprung und bislang alles erreicht, was er bis zu diesem Punkt erreichen wollte. Die westlichen Politiker schauen zu, appellieren und staunen. Und helfen selber dabei mit, dass Putins Expansionspolitik erfolgreich ist.

Großzügig akzeptierte Putin vor Wochenfrist die Ergebnisse der Wahlen in der Ukraine, an der sich die Menschen in der Ostukraine nicht beteiligen durften. Diese „Anerkennung“ wurde im Westen, wieder einmal fälschlicherweise, als Einlenken von Putin interpretiert. Dabei war diese „Anerkennung“ nur das Vorspiel zur Legitimierung der „Wahlergebnisse“ dieses Wochenendes in den „Volksrepubliken Donetzk und Luhansk“. Mit diesem Schachzug setzt Putin den Westen unter Druck, frei nach dem Motto „wenn wir die Ergebnisse in der Westukraine anerkennen, müsst ihr die Ergebnisse in der Ostukraine anerkennen.” Einmal mehr kann der Westen nur reagieren und ist, wie immer, in der schwächeren Position.

Natürlich erklärten die westlichen Politiker noch am Wochenende, die Wahlergebnisse in der Ostukraine (nach ersten Hochrechnungen gewannen die Separatisten mit 81% der Stimmen) nicht anzuerkennen, da diese Wahlen keine Rechtsgrundlage haben und damit undemokratisch sind. Was Putin bestreitet – nachdem die OSZE keine Wahlbeobachter schicken wollte, fanden sich flugs ein paar verwirrte Rechtsextreme, die eine „ASZE“ gründeten (wobei sie selbst bei ihrer Pressekonferenz nicht ganz sicher waren, ob das „A“ in „ASZE“ für „Agentur“ oder „Association“ stehen soll – was diese seltsamen Wahlbeobachter nicht davon abhielt, die Länder der Welt aufzufordern, die OSZE zu verlassen und sich ihrer Organisation anzuschließen. Der „Kalte Krieg 2.0“ treibt immer seltsamere Blüten. Wenn es den eigenen Interessen nützt, arbeitet man auch in Moskau durchaus mit Rechtsextremen zusammen.

Dabei erlebt Europa ein „Remake“ der Situation, die zum II. Weltkrieg führte. Man lässt einen Aggressor gewähren, in der diffusen Hoffnung, der territoriale Hunger des Aggressors möge mit dem gestillt sein, was er sich bereits genommen hat. Dass Putin dabei vorgeht wie die Holländer, als sie dem Meer Meter für Meter Land abtrotzten, das wird übersehen. Oder meint tatsächlich noch jemand, dass die Krim eines Tages jemand anderem als Russland gehören wird?

Das Heft des Handelns in der Ukraine hat nur einer in der Hand – Wladimir Putin. Der alles andere als innenpolitisch angeschlagen ist, auch, wenn sich einige Oligarchen unzufrieden mit den Behinderungen im Wirtschaftsverkehr gezeigt haben. Doch Putin spielt die Karte der nationalen Solidarität und hat dabei die große Mehrheit seines Volks hinter sich. Immerhin, so vermittelt die russische Propaganda seit Beginn des Konflikts, geht es darum, russische Interessen gegen die „westlichen Faschisten“ zu verteidigen. Wie damals, im „Großen vaterländischen Krieg“.

Niemand sollte meinen, dass es damit getan ist, die Krim endgültig abzuschreiben, Putin die Freude von zwei höchst seltsamen „Volksrepubliken“ in seinem Vorgarten zu lassen – die Ostukraine ist der Auftakt zur Rückeroberung der Gebiete der ehemaligen Sowjetunion. Damit Mütterchen Russland wieder zu alter Blüte aufsteigen kann. Ein Ziel, das Putin mit großem politischen Geschick verfolgt, was ihm auch deshalb leicht fällt, weil auf westlicher Seite nur noch hilflos reagiert wird. Beunruhigend, dass das Spitzenpersonal des Westens nicht in der gleichen Liga wie Putin spielt.

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