Demonstrieren für Gottesdienste?

Kann Glaube wirklich nur innerhalb von Kirchenmauern gelebt werden?

Forderung gehört. Geht aber momentan leider nicht. Foto: (c) Florence Grandon / France Télévisions

(Karl-Friedrich Bopp) – Am letzten Wochenende demonstrierten Gläubige in Strasbourg und Colmar. Sie verlangten, die Messe wieder in der Kirche feiern zu können, was die Covid-19-Regeln im Augenblick verbieten. So sehr der Wille verständlich ist, den Glauben in Gemeinschaft ausüben zu wollen, so sehr sollte man doch gerade von Gläubigen erwarten können, dass sie für die Gesundheit aller ein Opfer bringen. Vor allen Dingen, weil Alternativen bestehen.

Auf der elsässischen Seite werden soziale Medien erfolgreich eingesetzt, um Kontakt mit den Gläubigen zu halten. Die DNA berichtet in ihrer Ausgabe vom 16. November 2020, wie Pastor Thierry Geyer aus Diemeringen von seinem Wohnzimmer aus die Messe zelebriert. Selbst Meditationen in elsässischer Sprache werden angeboten. Erkennbar mit Erfolg. Nach seinen Angaben verfolgen sonntags bis zu 300 Personen die Messe. Insbesondere ältere Personen, die aus Furcht vor dem Virus nicht mehr in die Kirche kommen, sind von diesem Angebot begeistert.

Auf der badischen Seite berichtet die baden-württembergische Landesschau in ihrer Ausgabe vom 15. November 2020 von einem anderen Ansatz – mit dem gleichen Ziel. In Unterschwarzach bei Mosbach ist die evangelische Pfarrerin Angelika Schmidt am Sonntag zu Fuß unterwegs. Sie klingelt bei jedem Haus. Den notwendigen Abstand haltend bietet sie die Möglichkeit zum Gespräch und zum Gebet an. Zum Abschluss segnet sie die Personen.

Wiederum sind es insbesondere die Älteren, die von der Fürsorge der Pfarrerin angetan sind. Als Risikopersonen trauen sie sich teilweise gar nicht mehr aus dem Haus. Vor allem sind sie vollkommen unglücklich, weil sie ihre Enkelkinder nicht mehr sehen können. Die ermutigenden Worte von Pfarrerin Schmidt bieten da Trost und Zuversicht. Sie fühlt sich wohl in ihrer Rolle als Wanderseelsorgerin. Für sie ist „Kirche lebendig, wo sich Leute aus der Gemeinde begegnen“.

Aber die Alternativen sind noch nicht erschöpft. Die evangelische Gemeinde in Alzey in der Nähe von Worms lädt alle zwei Wochen ins Autokino. Die Fürbitten können die Teilnehmer vorab per WhatsApp schicken. Das stellt Pfarrer und Gläubige zufrieden.

Angesichts der unsicheren Situation rundum die Covid-19-Pandemie machen sich die kirchlichen Verantwortlichen bereits Gedanken, wie sie die Weihnachtsgottesdienste zelebrieren werden. Auch hier sind Kreativität und Improvisation gefragt. Vielleicht geht es ins Stadion? Vielleicht in den Wald? Auf jeden Fall werden die Gottesdienste stattfinden. Eine komplette Absage ist jedenfalls kein Thema.

Zurück zu den Demonstrationen in Strasbourg und Colmar. Muss wirklich noch einmal daran erinnert werden, dass im Frühjahr die Pandemie im Elsass von einem Evangelistentreffen in Mulhouse ihren Lauf nahm? Die Verantwortlichen der katholischen und evangelischen Kirche scheinen in diesem Fall weiter zu sein als die Gläubigen. Die Covid-19-Pandemie verlangt Opfer von uns allen. Die gezeigten Beispiele zeigen, dass Verzicht auf Gottesdienst nicht sein muss, sondern lediglich Offenheit fordert, ihn auch auf andere Weise durchzuführen.

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