Denn sie wissen nicht, was sie tun…

Die SPD will nach der Europawahl eine gemeinsame Fraktion mit der französischen Regierungspartei LREM von Präsident Macron bilden. Einziges Problem – LREM ist alles andere als eine „linke“ Partei.

Warum der Chfe der SPD-Abgeordneten im Europäischen Parlament plötzlich lieber mit der neoliberalen LREM arbeiten will, ist rätselhaft. Foto: European Parliament from EU / Wikimedia Commons / CC-BY 2.0

(KL) – Greift der Chef der SPD-Abgeordneten im Europäischen Parlament Udo Bullmann bereits dem Wahl-GAU der französischen Sozialisten vor? Mit seiner Ankündigung, man überlege die Bildung einer „progressive Allianz“ mit der französischen Regierungspartei LREM („La République en marche“), setzt Bullmann die ohnehin schwer angeschlagenen französischen Sozialisten noch weiter unter Druck. Da diese gerade in den Umfragen unter der 5 %-Hürde liegen, die in Frankreich bei der Europawahl gilt, könnte man das Gefühl bekommen, dass die SPD ihren Kolleginnen und Kollegen der PS gerade einen Dolch in den Rücken rammt.

Doch dürfen sich die französischen Sozialisten über diesen Dolch nicht beschweren – denn bei der Europawahl 2019 gibt es überhaupt keine Liste PS in Frankreich! Stattdessen hat sich Parteichef Olivier Faure zwei bis dato relativ unbekannten Thinktanks unterworfen, „Place Publique“ und „Nouvelle Donne“ und den Chef von „Place Publique“, den Philosophen Raffael Glucksmann, zum Spitzenkandidaten gemacht. Glucksmanns Hauptkompetenz liegt darin, Sohn des wesentlich bekannteren Philosophen André Glucksmann zu sein, ansonsten bietet der Spitzenkandidat dieser Liste, die sich „Envie d’Europe“ (Lust auf Europa) nennt, keinerlei nennenswerte Erfahrungen in der Politik, zum Thema Europa oder im Management einer Partei. Das, was die einen „Amateurismus“ nennen, ist für die anderen der „unverbaute Blick“. Doch dadurch, dass es keine eigene PS-Liste gibt, wird es für potentielle Partner schwierig, sich zur Zusammenarbeit zu bekennen. Doch die Antwort der deutschen SPD ist dabei ebenso vernichtend für die französische Sozialdemokratie wie das Gestümper von Parteichef Olivier Faure, der ebenso wie der Rest der noch verbliebenen französischen Sozialisten immer noch nicht begriffen hat, dass seine Partei in nur 2 Jahren von der Präsidentenpartei mit Mehrheiten in beiden gesetzgebenden Kammern bis unter die 5 %-Hürde gerutscht ist. Ob auf einer schrägen Ebene, auf der man gerade heruntersaust, „weiter so!“ die richtige Einstellung ist, bleibt fraglich.

Aber was bitteschön will die SPD mit der neoliberalen und in ihren Grundzügen konservativen LREM? Zugegeben, die französische Linke ist derartig zersplittert und zerstritten, dass es nicht einfach ist, einen ernst zu nehmenden Partner zu identifizieren, doch sich in einer solchen Situation einer rechten Partei als möglicher Partner anzudienen, das ist auch nichts anderes als ein Rechtsruck der SPD. Und es könnte sogar paradox werden, denn außer der SPD wollen fast alle anderen ebenfalls mit der Macron-Partei zusammenarbeiten. Ob CDU/CSU oder FDP, alle sind Macron-Fans und wollen mit ihm im neuen Europäischen Parlament gemeinsame Sache machen. Doch die Vorstellung einer europäischen Koalition mit SPD, CDU/CSU, FDP und deren europäischen Partnern, ist mehr als seltsam.

Bullmanns Ankündigung einer angestrebten Fraktion zusammen mit LREM wird die Wählerinnen und Wähler weiter verunsichern und zeigt im Grunde nur die völlige Orientierungslosigkeit der linken Parteien in Europa. Die zu diesem Zeitpunkt unnötige Erklärung von Udo Bullmann schadet damit gleichzeitig der SPD und der PS – zwei Parteien, deren starre Apparate in einer Zeit des schnellen Wandels wie Ketten sind, die beide Parteien langsam, aber sicher unter Wasser ziehen.

Entweder haben die deutschen Sozialdemokraten das Europaprogramm von Emmanuel Macron nicht gelesen, oder aber die SPD hat entschieden, die neue FDP zu werden, eine neoliberale Mitte-Rechts-Partei, die im besten Fall noch eine Rolle als Mehrheitsbeschafferin spielen kann. Klar ist nur, dass nichts mehr klar ist. Die Identitäten der SPD und der PS wurden von ihren jeweiligen Parteiführungen völlig verwässert und somit machen sich beide Parteien für die Wählerschaft entbehrlich. Bei der SPD dauert es zwar etwas länger als bei der PS, doch der Weg ist vorgezeichnet. In den aktuellen Umfragen liegt in Frankreich die PS unter der 5 %-Hürde und es könnte durchaus passieren, dass die PS keinen einzigen Abgeordneten ins neue Europäische Parlament entsenden kann. Eine solche Denkpause wäre aber vielleicht nicht das Schlechteste für die PS, denn wenn die Partei auch weiterhin nicht begreift, was in der Welt von heute passiert, dann wird die PS irgendwann vollständig in der Versenkung verschwinden.

Schade, dass niemand so richtig erklären kann, warum die SPD künftig nicht mehr in der S&D-Fraktion (Socialists and Democrates) im Europäischen Parlament sitzen möchte. Ist die SPD am Ende tatsächlich schon eine rechte Partei geworden? Tolles Timing, Herr Bullmann, denn solange diese Frage im Raum schwebt, werden am Sonntag viele SPD-Wählerinnen und Wähler lieber eine andere Partei wählen, um zu verhindern, „aus Versehen“ eine rechte Partei zu wählen. Ob taktisches Unvermögen, ob mangelndes Verständnis der politischen Realitäten, ob Rechtsruck – die SPD setzt alles daran, am Sonntag möglichst wenig Stimmen zu bekommen. Genau wie die Kollegen der PS. Wenigstens eine europäische Gemeinsamkeit dort, wo es früher einmal eine europäische Linke gab. Doch aus dieser haben sich SPD und PS still und heimlich verabschiedet.

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