Der 5. März 1981…

Wie jedes Jahr erinnert eurojournalist.eu auch dieses Jahr an den 5. März 1981, den Tag, an dem sich Freiburg und dann auch die ganze Republik veränderten...

An diesem Tag, dem 5.3.1981, fing Freiburg an, eine "grüne" Stadt zu werden. Foto: Marlies Decker / Landesarchiv Baden-Württemberg, Staatsarchiv Freiburg, W14-0 Nr. 08636 / CC-BY

(KL) – Der 5. März 1981 begann in Freiburg etwas stressig. Im Morgengrauen umstellten Polizeikräfte des SEK (Sondereinsatzkommando) Göppingen den „Schwarzwaldhof“, ein besetztes, alternatives Kultur- und Lebenszentrum, das seit geraumer Zeit auf diesem Areal angesiedelt war. Nach einer anderen Hausbesetzung in Freiburg am 4. März und der Ankunft großer Polizeikräfte in Freiburg, lieferten die Freiburger Autonomen selbst den Vorwand für die am 5. März folgende Räumung des „Schwarzwaldhof“ – am Vorabend zogen einige Hundert ziemlich radikaler Hausbesetzer durch die Innenstadt und veranstalteten dort die „Scherbennacht“, bei der zahlreiche Schaufensterscheiben zu Bruch gingen. Das war genau der Vorwand, den das SEK brauchte, um den „Schwarzwaldhof“ zu räumen und einige der prominentesten Bewohner festzunehmen.

In Baden-Württemberg herrschte damals eine Zero-Tolerance-Politik gegenüber Hausbesetzern, nachdem dieses Phänomen in Freiburg ziemlich verbreitet war. „Keine Hausbesetzung länger als 24 Stunden!“, tönte damals Ministerpräsident Lothar Späth und somit schien der Stuttgarter Landesregierung die Räumung eine richtige Maßnahme zu sein. Hätte Lothar Späth damals geahnt, dass er damit eine gesellschaftliche Veränderung auslöste, die 20 Jahre später dazu führen sollte, dass Freiburg als erste deutsche Großstadt einen grünen Bürgermeister erhielt, dann hätte er auf diesen Polizeieinsatz vermutlich verzichtet.

Denn gegen das Vorgehen des SEK und die Belagerung der Stadt durch rund 4000 humorlose Polizisten schmeckten den Freiburgern überhaupt nicht. Zwei Wochen lang fanden täglich Demonstrationen statt, an denen bis zu 20 000 Teilnehmer ihre Solidarität mit der Freiburger Jugend ausdrückten. Diese massive Gegenbewegung führte dazu, dass die Stadt der alternativen Szene Angebote zur Befriedung machte. Es wurden Ersatzräume für den „Schwarzwaldhof“ angeboten, Underground-Kneipen wie das „Crash“ wurden zu Institutionen der Freiburger Szene. Und die entwickelte sich.

Die Macher und Macherinnen dieser alternativen Szene prägten fortan das Stadtbild mit. Noch heute sitzen im Freiburger Stadtrat Räte, die einst in den berühmten Szene-Treffs wie eben dem „Schwarzwaldhof“ oder der „Erbprinzenstraße“ gelebt hatten und bis heute die grundlegenden Ideen dieser Jugendrevolte 1981 in die Lokalpolitik tragen. Von einzelnen Honoratioren der Stadt weiß man, dass sie früher selbst gerne mal ein Bierchen im „Autonomen Zentrum“ am Glacisweg zischten oder ihre Lektüre im Szene-Buchladen „Jos Fritz“ einkauften. Und das heute noch tun.

Das Freiburger Beispiel hatte weitreichende Folgen – mit Stuttgart wurde eine weitere Stadt „grün“ und ohne die Freiburger Ereignisse 1981 ist es fraglich, ob Baden-Württemberg je einen grünen Ministerpräsidenten bekommen hätte.

Die Hausbesetzer-Szene in Freiburg hatte, zusammen mit denen in Berlin, Zürich, Amsterdam, Münster oder Kopenhagen eine enorme Auswirkung auf unsere Gesellschaft. Das Nachkriegs-Deutschland wurde in diesen Jahren deutlich bunter, frecher, lauter. Und entfernte sich immer mehr vom „Muff von 1000 Jahren“, der damals immer noch unter vielen Talaren schlummerte.

Erwähnenswert ist, dass diese Veränderung nicht durch Gewalt zustande kam. Zwar war die „Scherbennacht“ der Auslöser für die Räumung des „Schwarzwaldhofs“, doch hätte diese vermutlich auch so stattgefunden, denn die 4000 nach Freiburg geschickten Polizisten waren sicher nicht wegen einer kleinen Hausbesetzung am 4. März nach Freiburg gekommen. Nein, es war die überzogene Reaktion der Staatsmacht, die ein Nachdenken auslöste, ein Umdenken und letztlich die Umsetzung eines Gesellschaftsplans, der seitdem in Freiburg „etwas anders“ ist. Und genau daher erinnern wir jeden 5. März an dieses Ereignis und seine Heldinnen und Helden. Wie schön – manchmal entwächst aus etwas Kleinem tatsächlich etwas Großes. Champagner!

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