Der „ AK Schengen 2.0“ will offene Grenzen

Am „Deutsch-Französischen Tag“ trafen sich deutsche und französische Verfechter der deutsch-französischen Freundschaft. Ob ihre Appelle für eine offene Grenze gehört werden?

Der "AK Schengen 2.0" pocht auf offene Grenzen. Aber was heisst heute schon noch "offen"? Foto: Jacques Schmitt / AK Schengen 2.0

(PM / Red) – Am Freitag, 22. Januar 2021, trafen sich Mitglieder des Arbeitskreises (AK) „Schengen 2.0“ im „Lieu d´Europe” in Straßburg, um im Rahmen des Deutsch-Französischen Tages an den ersten Deutsch-Französischen Freundschaftsvertrag vom 22. Januar 1968 sowie an den Vertrag von Aachen vom 22. Januar 2019 zu erinnern. Aber das war natürlich nicht alles. Der Arbeitskreis, der bereits während der Grenzschließung März – Juni 2020 mit Demonstrationen und anderen Aktionen die Öffnung der Grenze zwischen Deutschland und Frankreich gefordert hatte, plädiert weiterhin für offene Grenzen in Europa. Allerdings hat man das Gefühl, als meinte der Arbeitskreis mit „offener Grenze“ etwas anderes als die nationalen und europäischen Entscheidungsträger.

Seit dem Frühjahr 2020 organisieren sich in dem AK Schengen 2.0 insgesamt 16 Vereine, Verbände und Gruppierungen aus dem Elsass und aus Baden, die meisten mit Sitz im Raum Straßburg – Ortenau. Die Zusammenarbeit dieser 16 Vereinigungen, die durch die Idee der Deutsch-Französischen Freundschaft, eines guten Zusammenlebens am Oberrhein und eines in Frieden geeinten Europas vereint sind, entstand vor dem Hintergrund der Grenzschließungen im Frühjahr 2020.

Insbesondere dort, wo die Schließung binneneuropäischer Grenzen wenig oder gar keine zusätzliche Schutzwirkung entfaltet, aber zugleich zum Teil eine massive Schädigung des Zusammenlebens der Menschen in Grenzregionen zu beklagen ist, vertreten die Mitglieder des AK Schengen 2.0 die Auffassung, dass eine Behinderung des Zusammenlebens in grenznahen Räumen oder gar die Schließung der Grenzen keine Option sein dürfen. Doch hier liegt auch die Schwierigkeit. Alle momentan getroffenen Entscheidungen zielen auf eine Schutzwirkung ab, ob diese nun erreicht wird oder nicht. So werden auch die neuen Einreisebestimmungen, die faktisch auf ein Verbot des Grenzübertritts hinauslaufen, mit der Ausnahme „zwingender Gründe“, unter den Arbeitstiteln „Erhöhung des Schutzes“ und „Eindämmung des Virus“ geführt. Und während der „AK Schengen 2.0“ mit „offener Grenze“ vor allem den Austausch zwischen Menschen meint, meinen die Regierenden mit „offener Grenze“ lediglich den Zustand, in dem Waren problemlos über Grenzen transportiert werden können.

Fakt ist, dass es praktisch keine Abstimmung zwischen den deutschen und den französischen Behörden gibt. Schwierig ist dabei auch, dass die Entscheidungsebenen in beiden Ländern nicht die gleichen sind. Werden in Frankreich alle Entscheidungen in Paris getroffen, gibt Berlin lediglich „Empfehlungen“ heraus, die dann auf Landesebene, manchmal sogar auf Kreisebene, umgesetzt werden oder eben auch nicht.

Auf beiden Ufern des Rheins herrschen momentan völlig unterschiedliche Regelungen. Sind auf der deutschen Seite die Geschäfte geschlossen, sind sie im Elsass geöffnet. Die Ausgangssperren sind nicht die gleichen, die Vorgaben zum Thema Telearbeit sind unterschiedlich und grundsätzlich verfolgen beide Länder nicht die gleiche Strategie in der Bekämpfung des Virus. Und zum Thema Schule mag man schon gar keine Aussagen mehr treffen.

Dass der AK „Schengen 2.0“ sich für die deutsch-französische Freundschaft einsetzt, ist ehrenvoll und man wird sich später, wenn man diese Periode analysieren wird, auch daran erinnern, dass es Menschen gab, die sich gegen den schleichenden Nationalismus zur Wehr setzen wollten. Ob sie in der aktuellen Situation Recht haben, offene Grenzen zu fordern, kann momentan niemand mit Sicherheit sagen. Niemand versteht mehr die aktuelle Covid-Entwicklung, zwischen widersprüchlichen Zahlen, Gutachten, „Fake News“, Impfkampagnen und einer Zahlenflut, die niemand mehr im Überblick behalten kann. Es gibt auch keinerlei Nachweise darüber, dass der kleine Grenzverkehr am Oberrhein die Verbreitung des Virus befördert hätte. Allerdings gibt es auch keinen Nachweis darüber, dass dies nicht der Fall war.

Nur eines ist heute bereits klar: Es wird Jahre dauern, bis die im letzten Jahr tief beschädigten deutsch-französischen Beziehungen wieder repariert und mit neuer Dynamik versehen worden sind. Und – wir werden uns bereits in den kommenden Tagen auf neue Maßnahmen einrichten müssen, die wiederum auf beiden Ufern des Rheins unterschiedlich ausfallen werden. Je unterschiedlicher die getroffenen Maßnahmen sein werden, umso mehr steigt die Wahrscheinlichkeit, dass die Grenze zwischen beiden Ländern erneut nur noch für Waren und auf der anderen Seite arbeitende Grenzgänger durchlässig bleiben wird. Die momentan verkündeten Wasserstandsmeldungen, in denen sich die Politiker selbst auf die Schulter klopfen und dazu beglückwünschen, dass sie es geschafft haben, die Grenzen offen zu halten, sind Makulatur und politische Kommunikation. Für uns einfache Bürgerinnen und Bürger ist das Nachbarland heute ein „No-Go-Area“. Und das wird Spuren hinterlassen.

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