Der arme Herr Habeck

Die Vetterleswirtschaft im Wirtschaftsministerium zieht immer gröβere Kreise. Grund genug für den Altgrünen Jürgen Trittin, Robert Habeck schnell zum „Opfer“ zu erklären.

Dass Robert Habeck momentan viel erklâren muss, hat er sich selbst zuzuschreiben... Foto: Michael Brandtner / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 4.0int

(KL) – Der Altgrüne und immer noch Bundestagsabgeordnete Jürgen Trittin ist erbost. „Es wird versucht, Robert Habeck sturmreif zu schieβen“, sagte Trittin und hatte auch sofort die Bösewichter ausgemacht: „Die Gaswirtschaft und viele kommunale Unternehmen wollen ihr fossiles Geschäftsmodell verlängern“. Dass die Kritik an Habeck von der unglaublichen Vetterleswirtschaft der Grünen ausgelöst wurde, will Trittin nicht wahrhaben. Doch die Suche nach Schuldigen an Habecks Skandalen im Wirtschaftsminister wird schnell vorbei sein – der Mann managt sein Ministerium wie eine WG in den 80er Jahren.

Dass Politiker, sobald sie in Amt und Würden sind, ihre treuen Wegbegleiter mit Posten und Pöstchen versorgen, ist weder neu, noch besonders originell. Ärgerlich wird es nur, wenn Parteien an die Macht kommen, die genau mit diesen Begünstigungen Schluss machen wollen. „Eine neue Gouvernance“, so sagt man gerne, und das bedeutet, dass man alles anders machen will als die Vorgänger. Aber wenn dann die Menschen merken, dass die „neue Gouvernance“ auch die „alte Gouvernance“ ist, dann wird es peinlich. Und genau das passiert jetzt bei den grünen Saubermännern im Wirtschaftsministerium.

Erst kostete es Habecks Staatssekretär Patrick Graichen, dessen Verwandtschaft sich in verschiedenen regierungsnahen Organisationen mit satten Gehältern tummelt, und nun steht ein weiterer Staatssekretär, Udo Philipp, in der Kritik. Der Mann soll in einen Beratungsfonds investiert haben, der wenig später Aufträge des Ministeriums erhalten haben soll. Alles Dinge, gegen die die Grünen früher einmal Sturm gelaufen sind, als sie selbst noch nicht an der Macht waren, und die sie nun, wo sie mit an der Macht sind, ganz selbstverständlich selber tun.

Da klingen die Einlassungen von Jürgen Trittin schon fast nach einer „Querdenker-Theorie“ – Habeck und seine Groβ-WG haben sich ganz alleine in diese Situation manövriert und mit „sturmreif schießen“ hat das nun wirklich nichts zu tun. Es ist nur peinlich, wenn man jahrelang den „Saubermann“ gibt und die Menschen dann merken, dass „Saubermann“ in dem Moment vorbei ist, wo man selbst vom Füllhorn der Macht naschen und seine Lieben daran teilhaben lassen kann.

Die Grünen werden sehr aufpassen müssen, dass sie sich nicht überflüssig und unglaubwürdig machen. Das aktuelle Spitzenpersonal ist nur ein müder Abklatsch der Gründungsgrünen, Annalena Baerbock ist als Auβenministerin fast schon untragbar und die Grünen haben als Partei ihr Konzept verloren. Niemand kann mehr richtig verorten, ob die Grünen nun eine neoliberale, eine linke oder gar eine rechte Partei sind. Auf Länderebene koalieren die Grünen mal mit den einen, mal mit den anderen und es fehlt ein Konzept.

Die Zeiten, in denen man mit ökologischen Themen ein Alleinstellungsmerkmal hatte, sind auch vorbei. Alle Parteien haben die Ökologie inzwischen zum Top-Thema gemacht und die Grünen können hier nur noch wenige Punkte sammeln, denn sie sind nicht mehr die einzige ökologische Partei. Statt, wie das allgemein so üblich ist, die Schuld für die Unruhe in Habecks Ministerium bei anderen zu suchen, täten die Grünen besser daran, ihr eigenes Funktionieren zu hinterfragen. Denn inzwischen sind die Grünen eine ganz normale bürgerliche Partei geworden, die nicht viel anders handelt als diejenigen, die sie einst ablösen wollten. Nein, Habeck wird gerade nicht von finsteren Mächten „sturmreif“ geschossen, sondern Habeck und seine Grünen werden von den Realitäten eingeholt, die sie selbst geschaffen haben. Der einzig richtige Schritt wäre, dass Habeck seine Wirtschafts-WG vor die Tür setzt und anfängt das umzusetzen, was immer in Wahlkämpfen versprochen wird – Transparenz und korruptionsfreies Verhalten. Aber bevor Jürgen Trittin zugibt, dass die Grünen gerade auf dem (ökologisch einwandfreien) Holzweg sind, beiβt er sich vermutlich eher die Zunge ab…

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