Der Bundestags-Wahlkampf hat begonnen

In Sachsen-Anhalt wird nun das geübt, was im September auf Deutschland zukommt – das große Taktieren um Koalitionen, Macht und Positionen. Und alle mischen mit. Zumindest diejenigen, die dürfen.

So ungefähr dürften die Koalitionsverhandlungen in Magdeburg ablaufen... Foto: Memorizer at German Wikipedia / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 3.0

(KL) – Kaum hat die Bundesrepublik ein erleichtertes „Uff“ gemacht, da die AfD in Sachsen-Anhalt ein deutlich schlechteres Ergebnis eingefahren hat als befürchtet, schon geht der Bundestags-Wahlkampf los. Und der kündigt sich nicht unbedingt sehr inhaltsbezogen an. Statt die Landtagswahlen in Sachsen-Anhalt für sich zu betrachten und den an den Urnen ausgedrückten Wählerwillen zu respektieren, beginnt nun das Taktieren. Die Grünen in Sachsen-Anhalt wollen keine Neuauflage der in Sachsen-Anhalt durchaus erfolgreich arbeitenden „Kenia-Koalition“ mit CDU und SPD, und auch die FDP¨will nicht als Mehrheitsbeschaffer auftreten. Und plötzlich stehen Wahlsieger CDU und XS-Juniorpartner SPD ziemlich alleine da. Denn zusammen haben beide gerade mal eine Stimme Mehrheit im Landtag zu Magdeburg.

Die Wählerinnen und Wähler in Sachsen-Anhalt haben eigentlich für die Fortführung der „Kenia-Koalition“ gestimmt, doch knapp 4 Monate vor der Bundestagswahl sind die Parteien momentan mehr an einer Positionierung für diese Bundestagswahl, als an der Tagespolitik in Sachsen-Anhalt interessiert. Dass sie dieses offensichtliche Desinteresse an den Bürgern Sachsen-Anhalts unter Umständen Stimmen im September kosten wird, scheinen sie nicht zu bedenken. Denn das einzige, was ab jetzt zählt, ist die Wahl im September.

Die Position der Grünen ist dabei schwer verständlich. Nach einem Beschluss des Landesvorstands Sachsen-Anhalt stehen die Grünen nicht mehr für die bisherige Koalition mit CDU und SPD zur Verfügung. Das Argument: CDU und SPD würden ja auch ohne die Grünen über eine Mehrheit verfügen. Doch auch die Grünen können rechnen – die Mehrheit einer CDU-SPD-Koalition im Magdeburger Landtag betrüge gerade mal eine einzige Stimme, was das Regieren extrem schwierig macht. Wollen die Grünen nun CDU und SPD am Nasenring durch die Manege führen? Im Interesse der Menschen in Sachsen-Anhalt kann es nicht liegen, künftig von einer extrem wackeligen Koalition geführt zu werden. Erstaunlich ist, dass die Grünen plötzlich bereit wären, stattdessen eine Koalition mit CDU und FDP einzugehen. In der Praxis ist das allerdings kaum vorstellbar, denn die Positionen von FDP und Grünen sind weitaus inkompatibler als zwischen SPD und Grünen. Wollen die Grünen jetzt der Bundesrepublik im Vorfeld der Wahl im September zeigen, dass ohne sie keine stabile Politik zu führen ist?

Auch die FDP möchte nicht ein eine Koalition einsteigen, in der sie mathematisch nicht unbedingt gebraucht wird. Jetzt, kurz vor der Bundestagswahl, wollen sich alle Parteien stark und mit einem eigenen Profil darstellen, nicht aber als „Mehrheitsbeschaffer“ und „Juniorpartner“. Das ist einerseits nachvollziehbar, andererseits werden sich die Menschen in Sachsen-Anhalt bedanken – denn offenbar geht es den Parteien in Sachsen-Anhalt nicht um Sachsen-Anhalt.

Doch die Zahlen und die Realitäten sprechen eine andere Sprache. Als am Wahlabend die ersten Hochrechnungen präsentiert wurden, fiel auf, dass nach den Zahlen für CDU und AfD die Zahlen der „kleinen Parteien“ verkündet wurden. Das war wohl das erste Mal in der Geschichte der Bundesrepublik, dass die SPD zu den „kleinen Parteien“ gezählt wurde…

Man wird sehen, wie sich die Koalitionsverhandlungen in Magdeburg entwickeln werden, doch ist das kein guter Auftakt für den Bundestagswahlkampf. Das einzig Positive ist, dass der Aufwärtstrend der AfD in einem ihrer Stammländer gestoppt werden konnte. Ansonsten kündigt sich ein Bundestagswahlkampf an, bei dem es nicht so sehr um Deutschland geht, sondern vielmehr um die Machtspiele der Parteien, die immer noch nicht merken, dass sie sich dringend verändern und pragmatisch und thematisch arbeiten müssen. Politik muss mehr sein als ein Gerangel um Macht und Posten, Politik sollte den Menschen dienen. Aber das ist wohl wieder einmal ein frommer Wunsch…

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