Der „Burkini“ schlägt in Frankreich hohe Wellen

Nachdem die Stadt Cannes das Tragen der „Bade-Burka“, im Volksmund auch „Burkini“ genannt, verboten hat, ist eine heftige Debatte ausgebrochen. Es ist Zeit, dass ein paar grundlegende Grenzen aufgezeigt werden.

Es hat lange gedauert, bis sich Frauen bei uns am Strand frei bewegen konnten. Wem das nicht passt, der sollte woanders baden gehen. Foto: Bundesarchiv, Bild-146-1977-007-13A, Pahl, Georg / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 3.0

(KL) – Im Koran gibt es keine Stelle, in der die Vollverschleierung der Frau vorgeschrieben ist. Letztlich soll sie dazu dienen, so die Auslegung moslemischer Kopftuchverfechter, Frauen vor den gierigen Blicken von Männern zu schützen. Die Sitte der Verschleierung ist folglich nicht mehr als der ostentative Ausdruck einer Religionszugehörigkeit und dass diese (Un-)Sitte auch an den Stränden Europas Einzug hält, wo sich moslemische Frauen im „Burkini“ in die Wellen stürzen, während ihre ach so gläubigen Männer den Europäerinnen im Bikini hinterher glotzen, hat in Frankreich für Aufregung gesorgt. Die Stadt Cannes hat nun ein Verbot erlassen, den „Burkini“ am Strand der Stadt zu tragen. Während moslemische Verbände laut „Skandal“ schreien und die Freiheit des Individuums ins Feld führen, stellt sich die Frage, ob man zusehen muss, wie religiöse Eiferer versuchen, unsere Gesellschaft zurück ins Mittelalter zu führen.

Man kann die Frage des „Burkini“ nicht außerhalb des aktuellen Kontextes betrachten. Frankreich und ganz Europa erleben gerade eine Terrorwelle islamistischer Gewalttäter und diese besondere Situation erfordert von ausnahmslos allen, sich entsprechend zu verhalten und zu respektieren, dass wir in laizistischen Gesellschaften leben, in der die Religion keine Staatsdiktrin ist. Dass in Zeiten des Terrors Frauen im „Burkini“ als Provokation empfunden werden, ist vollkommen nachvollziehbar. Wer in der aktuell angespannten Situation darauf besteht, seine religiösen Insignien spazieren zu tragen, der macht sich des Religionsimperialismus schuldig und sorgt dafür, dass die Gräben zwischen des moslemischen Gemeinde und den Gesellschaften Europas immer tiefer werden.

Es lohnt sich auch nicht, auf die Freiheitsrechte zu pochen – schon Rosa Luxemburg wusste, dass „die Freiheit des Einzelnen dort endet, wo die Freiheit des anderen beginnt“ und das Tragen der Burka, des Niqab und des „Burkini“ ist ein religiös-politisches Statement, eine Art textiler Mittelfinger an die europäischen Gesellschaften in Zeiten des Terrors. Man stelle sich die Situation umgekehrt vor – schätzungsweise dürfte man in Riyad auf wenig Verständnis stoßen, würde man dort im Namen der individuellen Freiheit FFK-Tage im Schwimmbad oder am Strand mit Schweinswürstel-Grillen und kaltem Dosenbier fordern oder organisieren würde. Es ist für uns völlig selbstverständlich, dass sich Europäer und Europäerinnen, die in moslemische Länder reisen oder dort leben, an die dortigen gesellschaftlich-religiösen Kodizes halten. Alleine schon aus Respekt für das Land, in dem man sich aufhält. Auch, wenn man die dortigen gesellschaftlichen Codes nicht so toll findet. Aber wenn das für uns eine Selbstverständlichkeit ist, warum tun wir uns dann so schwer, unsere eigenen gesellschaftlichen Codes durchzusetzen?

Es hat Jahrzehnte und Jahrhunderte gedauert, die Gleichstellung von Mann und Frau in der Gesellschaft zu erreichen und, seien wir ehrlich, diese ist noch nicht vollständig erreicht. Immer noch werden Frauen und Männer für die gleiche Arbeit unterschiedlich bezahlt, immer noch ist die Gleichstellung der Geschlechter mehr Ziel als schon erreicht. Doch unsere Gesellschaften sind auf einem guten Weg dorthin, auch, wenn es noch viel Verbesserungsbedarf gibt.

Muss man mitten hinein in diesen gesellschaftlichen Prozess hinnehmen, dass Menschen anderen Glaubens ihre mittelalterliche Sichtweise des Rollenverständnisses zwischen Mann und Frau allen anderen auf die Augen drücken? Natürlich nicht, und deswegen ist die Entscheidung des Bürgermeisters von Cannes absolut richtig. Und wenn die moslemischen Männer so viel Wert darauf legen, dass Frauen nicht gierig angeglotzt werden, dann gäbe es ein ganz einfaches Mittel, mit dem sie ein großartiges Beispiel dafür geben könnten – sie könnten einfach aufhören, Frauen gierig anzuglotzen. Dann brauchen ihre Frauen auch nicht mehr solche mittelalterlichen, von Männern erfundenen und nicht mal vom Koran geforderten Kleiderregelungen. Und alle, für die diese Frage überlebenswichtig ist, sollten sich überlegen, ob sie nicht lieber dort leben wollen, wo auch andere nach den gleichen mittelalterlichen Gesellschaftsregeln leben wollen. Doch haben wir tatsächlich keinen vernünftigen Grund, warum wir diese Rückkehr ins finsterste Mittelalter gutheißen oder gar erlauben sollten. Religiöser Imperialismus zerstört das Zusammenleben in der Gesellschaft und sollte daher nicht toleriert werden.

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