Der Countdown für den „Scotxit“ läuft…

Während Theresa May hektisch versucht, ihren „Brexit“ zu retten, löst sich in ihrem Rücken das Vereinigte Königreich auf. Thilo Sarrazin hätte wohl geschrieben: „Großbritannien schafft sich selber ab“.

Eine der beiden neuen EU-Aussengrenzen nach dem Brexit. Die Grenze zwischen England und Schottland gab es als "Hadrian's Wall" schon im 2. Jahrhundert... Foto: I, Michael Hanselmann / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 3.0

(KL) – Stichtag ist der 31. März 2019. An diesem Tag steigt, wenn sich bis dahin nichts Entscheidendes mehr tut, Großbritannien aus der EU aus. Doch Großbritannien, das ist auch das Vereinigte Königreich, das allerdings nach dem „Brexit“ nicht mehr als Vereinigtes Königreich existieren wird, denn im Fall des „Brexit“ besteht Großbritannien nur noch aus England, Wales und Nord-Irland, dafür aber mit zwei EU-Außengrenzen: diejenige zwischen der Republik Irland und Nord-Irland und diejenige zwischen England und Schottland. Denn im Falle des „Brexit“ wird sich Schottland aus diesem Vereinten Königreich verabschieden. Theresa May führt ihr Land gerade zurück in die Antike, in die Zeit, als der „Hadrian’s Wall“ England vor den Übergriffen schottischer Pikten schützen sollte. Erstaunlich, dass die Briten tatenlos zusehen, wie die völlig durchgeknallte Theresa May ihr Land zerstört. Proteste wird es wohl erst dann geben, wenn es zu spät ist.

Nicola Sturgeon, die schottische Regierungschefin, ist eine Pragmatikerin. In dieser Woche eröffnete sie eine Art „Ständige Vertretung“ Schottlands in Paris und sie rief ihre schottischen Landsleute auf, sich mit Lebensmittelvorräten für die Tage und Wochen nach dem „Brexit“ einzudecken, denn anders als Theresa May, der es um nichts anderes als ihren Platz in den Geschichtsbüchern geht (den sie auch bekommen wird, allerdings nicht in der Tonlage, die Frau May vorschwebt – die wird nicht als Retterin Britanniens, sondern als Henkerin der britischen Einheit in Erinnerung bleiben), plant die schottische Regierungschefin die Zukunft ihres Landes und vor allem, der Menschen, die dort leben.

Offenbar hat Theresa May in ihrem „Brexit“-Wahnsinn vergessen, dass bereits 2016 die Schotten beim „Brexit“-Referendum mehrheitlich für den Verbleib in der EU gestimmt hatten und bereits heute ist völlig klar, dass es nach einem „Brexit“ direkt ein weiteres Referendum über die Unabhängigkeit Schottlands von Großbritannien geben wird. Und bei diesem Referendum, so besagen die aktuellen Umfragen, werden die Schotten gegen ein neo-nationalistisches, politisch und wirtschaftlich isoliertes Großbritannien stimmen und ihre Unabhängigkeit erklären, mit dem Ziel, so schnell wie möglich der EU beizutreten.

Dabei zeigt Nicola Sturgeon einen wohltuenden Realismus in der Frage des „Brexit“, also genau das, was Tories und Labour in den letzten zwei Jahren abhanden gekommen ist. May, Corbyn, Johnson, Farage – allen ging es nur um eines: innenpolitische Machtgeplänkel, die auf dem Rücken der britischen Bürgerinnen und Bürger und der EU ausgetragen werden. Die einzige, die zu diesem Thema sinnvolle Vorschläge macht, ist – Nicola Sturgeon. Diese Woche regte sie an, den „Brexit“-Termin erst einmal zu verschieben, um ein zweites Referendum zu organisieren und im Falle eines Austritts aus der EU „eine deutlich engere Beziehung zur EU zu verhandeln“.

Nachdem man inzwischen die katastrophalen wirtschaftlichen und politischen Konsequenzen des „Brexit“ kennt, schlägt Nicola Sturgeon selbst für den Fall eines EU-Austritts vor, dass „das Vereinte Königreich weiter im EU-Binnenmarkt und der Zollunion bleibt“, doch soviel Realismus ist natürlich zu viel für Theresa May, deren „Brexit“ mittlerweile pathologische Züge trägt. Doch wenn die Briten meinen, dass sie dieses Nervenwrack ihr Ding machen lassen kann, so sind die Schotten aus einem anderen Holz geschnitzt und offenbar wenig bereit, sich brav wie Lemminge von May in die Katastrophe führen zu lassen.

Die Chancen steigen also, dass die EU auch künftig 28 Mitgliedsstaaten haben wird – Großbritannien geht, Schottland kommt. Wenn es für die EU so ausgeht, dass mit den Schotten der intelligente Teil der Briten in der EU bleibt und sich dafür die neo-nationalistischen Holzköpfe auf der Insel in die selbstgewählte Isolation und Krise begeben wollen – uns kann’s Recht sein.

Alle Appelle an die Vernunft der Briten sind wohl nur in Schottland gehört worden. Sei’s drum – Bye bye Great Britain, welcome Scotland!

Kommentar hinterlassen

E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht.

*



Copyright © Eurojournaliste